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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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sie
wiederzusehen, sehr erregend gefunden; aber jetzt tat mir ihre
Schönheit irgendwie weh.
    Sie zitterte und
wandte den Blick ab. Die winzige Bewegung teilte ihr Gewand in
Höhe der Schenkel. Auf der blassen, glatten Haut zeichnete
sich ein schmaler Streifen ab, rot an den Rändern, violett in
der Mitte. Irgend jemand hatte sie dort erst kürzlich
geschlagen, denn der Striemen war noch nicht voll entwickelt. Der
lächelnde Patrizier mit dem arroganten Gehabe fiel mir wieder
ein.
    »Hast du Elena
gefunden?« Elektras Stimme hatte sich wieder verändert.
Jetzt klang sie heiser. Sie hielt ihr Gesicht abgewandt, aber ich
konnte es im Spiegel sehen.
    »Nein.«
    »Aber du hast
herausgefunden, wer sie abgeholt hat und wohin.«
    »Ja.«
    »Geht es ihr
gut? Ist sie in Rom? Und das Kind...« Sie beobachtete mich im
Spiegel.
    »Das Kind ist
gestorben.«
    »Ah.« Sie
senkte den Blick.
    »Bei der Geburt.
Es war eine schwere Geburt.«
    »Das hab ich mir
schon gedacht. Sie war selbst fast noch ein Kind mit ganz schmalen
Hüften.« Elektra schüttelte den Kopf. Eine
Strähne ihres Haars fiel ihr ins Gesicht. Als der Spiegel ihr
Bild so festhielt, war sie auf einmal zu schön zum
Anschauen.
    »Wo ist es
passiert?« fragte sie.
    »ln einer
kleinen Stadt. Ein bis zwei Tage nördlich von
Rom.«
    »Die Stadt, aus
der Sextus Roscius stammte - Ameria, ist das der
Name?«
    »Ja, es geschah
in Ameria.«
    »Sie hat immer
davon geträumt, dorthin zu kommen. Es hat ihr bestimmt
gefallen, die frische Luft, die Tiere und
Bäume.«
    Ich dachte an die
Geschichte, die Felix und Chrestus mir erzählt hatten, und mir
wurde beinahe übel. »Ja, ein wunderschönes kleines
Städtchen.«
    »Und jetzt? Wo
ist sie jetzt?«
    »Elena ist
gestorben. Nicht lange nach der Geburt. Die Geburt hat sie
umgebracht.«
    »Ah, nun denn.
Dann wollte sie es so. Sie hat sich so auf das Kind gefreut.«
Sie wandte mir ihre Seite zu und vergewisserte sich, daß ich
sie nicht im Spiegel beobachten konnte. Wie lange war es her,
daß Elektra einem Mann erlaubt hatte, sie weinen zu sehen?
Nach einer Weile wandte sie sich wieder mir zu und ließ ihren
Kopf gegen die Kissen sinken. Ihre Wangen waren nicht feucht, aber
in ihren Augen glitzerten Tränen. Ihre Stimme war hart.
»Du hättest mich anlügen können. Hast du je
daran gedacht?«
    »Ja.«
Jetzt war ich es, der den Blick senkte, nicht aus Scham, sondern
weil ich fürchtete, daß sie in meinen Augen die ganze
Wahrheit lesen würde.
    »Du hast mich
schon einmal angelogen. Du hast gelogen, als du behauptet hast, der
Sklavenjunge wäre deiner. Warum also nicht
diesmal?«
    »Weil du die
Wahrheit verdienst.«
    »Tu ich das? Bin
ich so schrecklich? Du hättest mir erzählen können,
daß Elena noch lebt und sehr glücklich ist, mit einem
gesunden Baby an der Brust. Woher hätte ich wissen sollen,
daß es eine Lüge ist? Statt dessen hast du mir die
grausame Wahrheit erzählt. Was nützt mir die Wahrheit?
Die Wahrheit ist wie eine Strafe. Verdiene ich sie wirklich?
Bereitet dir das Vergnügen?« Tränen flössen
über ihre Wangen.
    »Verzeih
mir«, sagte ich. Sie wandte sich ab und schwieg.
    Ich verließ das
Haus der Schwäne, drängte mich an den grinsenden Huren
und lüsternen Freiern vorbei, die in der Halle herumlungerten.
Der Besitzer schwebte lächelnd vorbei wie die groteske
Charaktermaske aus einer Komödie. Auf der Straße blieb
ich stehen, um zu Atem zu kommen. Einen Moment später kam der
Mann mir brüllend und mit geballten Fäusten
hinterhergerannt.
    »Was hast du mit
ihr angestellt? Warum weint sie so? Weint und will gar nicht wieder
aufhören? Du brauchst nicht mehr wiederzukommen. Geh woanders
hin. Such dir die Mädchen eines anderen, um deine schmutzigen,
kleinen Spiele zu spielen.« Er stürmte ins Haus
zurück.
    Die Sonne ging unter.
Ich spürte ein Nagen in der Magengrube, hätte jedoch
keinen Bissen herunterbekommen. In der aufziehenden Dämmerung
wurde die Luft dünn und kühl. Ich fand mich auf einmal
vor dem Eingang der Pallacinischen Bäder wieder, den
Lieblingsthermen des verstorbenen Sextus Roscius.
    »Schwer was los
heute«, sagte der junge Bedienstete, als er meine Kleidung in
Empfang nahm. » In den letzten paar Tagen hatten wir
praktisch gar keine Kundschaft - zu heiß. Heute abend besteht
kein Grund zur Eile. Wir lassen länger auf, um den Verlust
auszugleichen.« Er kam mit einem Badelaken zurück. Ich
nahm es und sagte etwas, um ihn abzulenken, während ich das
Handtuch über meinen linken Arm

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