Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
Vom Netzwerk:
eine
widerspenstige Strähne aus der Stirn. »In seinem Alter
war ich auch noch nie in Rom gewesen. Ich bin insgesamt sowieso nur
dreimal hier gewesen - nein, viermal, aber einmal nur für
einen Tag. Siehst du da drüben, Lucius, genau wie ich dir
erzählt habe, die Rostra - dieser riesige Sockel, verziert mit
den Schnäbeln der in der Schlacht eroberten kathargischen
Schiffe. Der Redner besteigt sie über eine Treppe auf der
Rückseite und spricht dann von einer Plattform auf der Spitze
zu seinem Publikum, wo ihn jeder sehen kann. Ich habe einmal den
Tribun Sulpicius persönlich von der Rostra reden hören,
in den Tagen vor den Bürgerkriegen. «
    Ich starrte ihn mit
leerem Blick an. Auf seinem Hof in Ameria war ich überrascht
von seiner Würde und seinem Charme gewesen, von seiner Aura
umfassender Kultiviertheit. Hier auf dem Forum war er seines
Elements beraubt wie ein Fisch außerhalb des Wassers. Er
zeigte und blökte herum wie das typische Landei.
    »Wie lange bist
du schon in der Stadt?« fragte ich
schließlich.
    »Erst seit
gestern abend. Wir sind in zwei Tagen von Ameria
hergeritten.«
    »Zwei sehr lange
und anstrengende Tage«, warf Lucius lachend ein und gab vor,
seinen Hintern zu massieren. 
    »Dann hast du
Cicero noch gar nicht getroffen?«
    Titus senkte den
Blick. »Nein, leider nicht. Aber ich habe den Stall in der
Subura gefunden und Vespa ihrem Besitzer
zurückgegeben.«
    »Aber ich
dachte, du wolltest schon gestern eintreffen, zu Ciceros Haus
kommen und dich von ihm befragen lassen, um zu klären, ob er
dich als Zeuge gebrauchen kann.«
    »Ja,
also...«
    »Jetzt ist es zu
spät.« - »Ja, das glaube ich auch.« Titus
zuckte die Schultern und wandte den Blick ab.
    »Ich
verstehe.« Ich machte einen Schritt zurück. Titus
Megarus wollte mir nicht in die Augen sehen. »Aber du hast
dir gedacht, du kommst trotzdem zu dem Prozeß. Einfach nur,
um zuzusehen.«
    Sein Mund wurde hart.
»Sextus Roscius ist - war - mein Nachbar. Ich habe mehr
Grund, hier zu sein, als die meisten anderen
Menschen.«
    »Und noch mehr
Grund, ihm zu helfen.«
    Titus senkte die
Stimme. »Ich habe ihm schon geholfen -die Petition an Sulla,
das Gespräch mit dir. Aber in aller Öffentlichkeit seine
Stimme erheben, hier in Rom - ich bin Vater, verstehst du nicht?
Ich muß an meine Familie denken.«
    »Und wenn sie
ihn für schuldig befinden und hinrichten, bleibst du
wahrscheinlich auch dazu noch hier.«
    »Ich habe noch
nie einen Affen gesehen«, sagte Lucius fröhlich.
»Glaubst du, daß sie ihn wirklich in einen Sack
einnähen.«
    »Ja«,
sagte ich zu Titus, »und sorge auf jeden Fall dafür,
daß der Junge es sieht. Das ist ein Anblick, den er bestimmt
nicht vergessen wird.«
    Titus warf mir einen
gequälten, flehenden Blick zu.
    Derweil betrachtete
Lucius irgend etwas hinter mir, von der Aufregung des Prozesses und
der Pracht des Forums so in Anspruch genommen, daß er nichts
weiter wahrnahm.
    Ich drehte mich hastig
um und tauchte in der Menge unter. »Vater, ruf ihn
zurück - wie sollen wir ihn hier je wiederfinden?« Aber
Titus Megarus rief meinen Namen nicht.
    Die Menschenmasse
drängte sich plötzlich zusammen, weil ein Trupp
Gladiatoren einem im Gewühle unsichtbaren
Würdenträger einen Weg direkt zur Richterbank jenseits
der Rostra bahnte. Ich geriet in einen Strudel aus Leibern und
drängte dagegen an, bis meine Schultern plötzlich auf
etwas Festes und Unnachgiebiges stießen - der Sockel eines
Standbilds, das sich wie eine Insel aus einem Meer von Körpern
erhob.
    Ich blickte nach oben
in die geblähten Nüstern eines vergoldeten
Schlachtrosses. Auf dem Rücken des Tieres saß der
Diktator persönlich, in seiner Generalsuniform, allerdings
ohne Kopfbedeckung, damit sein triumphierendes Gesicht nicht
verdeckt wurde. Der glänzende, strahlende Krieger auf seinem
Pferd war beträchtlich jünger als der Mann, den ich im
Haus von Chrysogonus gesehen hatte, aber dem Bildhauer war es
gelungen, das kräftige Kinn und die unerschütterliche,
unerträgliche Selbstgewißheit seiner Augen realistisch
abzubilden. Sie blickten nicht auf das Forum, die Menschenmassen
oder die Richterbank hinab, sondern direkt auf die
Rednertribüne auf der Rostra, so daß jeder, der es
wagte, sie zu besteigen, dem obersten Hüter des Staates direkt
in die Augen sehen mußte. Ich trat einen Schritt zurück
und betrachtete die Inschrift, die schlicht lautete: L. CORNELIUS
SULLA, DIKTATOR, EWIG GLÜCKLICH.
    Eine Hand ergriff
meinen Arm. Ich drehte

Weitere Kostenlose Bücher