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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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auf den tiefverwurzelten Gerechtigkeitssinn und die
Ehrlichkeit der anständigen römischen Bürger. Was
könnte ein Mann von seiner Integrität auch anderes
tun?«
    »Natürlich«,
sagte Tiro ernst und nickte. »Er kann nicht anders, als die
Verlogenheit und das Unrecht herauszufordern und nach seinen
eigenen Prinzipien zu handeln. Bei seiner Persönlichkeit
bleibt ihm gar keine andere Wahl.«
    Ich stand einsam und
vergessen daneben. Während sie beratschlagten und
debattierten, schlich ich mich leise davon und schlüpfte zu
Bethesda zwischen die warmen Laken meines Bettes. Sie schnurrte wie
eine halbschlafende Katze und kräuselte dann argwöhnisch
knurrend die Nase, als sie Elektras Parfüm roch. Ich war zu
müde, es ihr zu erklären oder sie damit zu necken. Ich
hielt sie nicht in meinen Armen, sondern drehte ihr den Rücken
zu und ließ mich von ihr umarmen. Und während sich im
Atrium Ciceros Stimme aufs neue erhob, glitt ich in einen ruhelosen
Schlaf.

29
    Die Iden des Mai zogen
mit blaßblauer Dämmerung herauf. Ich wachte nur nach und
nach auf, verwirrt von meinen Träumen und desorientiert in
einem fremden Haus - weder mein Haus auf dem Esquilin noch
irgendeines von denen, die ich im Laufe eines rastlosen Lebens
bewohnt hatte. Von überall her drangen gedämpfte, eilige
Stimmen in mein Zimmer. Warum sollte ein Haus so früh am
Morgen schon so geschäftig sein? Ich dachte die ganze Zeit,
jemand müsse in der Nacht gestorben sein, aber dann hätte
ich von Schluchzen und Klagegeschrei geweckt werden
müssen.
    Bethesda lag an meinen
Rücken gepreßt und hatte einen Arm unter mir
hindurchgeschoben, um meine Brust zu umklammern. Ich spürte
das weiche, volle Polster ihrer Brüste, das sich mit jedem
Atemzug sanft gegen meinen Rücken drückte. Ihr Atem war
warm und süß an meinem Ohr. Ich wurde langsam wacher und
wehrte mich dagegen wie jemand, der sich an seinen unruhigen Schlaf
klammert, obwohl eine dumpfe Verzweiflung über ihm hängt.
Ich war durchaus zufrieden mit meinen unglücklichen
Träumen und im ganzen völlig gleichgültig
gegenüber jeder hektischen Krise, die sich in dem fremden Haus
um mich herum zusammenbraute. Ich schloß die Augen und machte
die Dämmerung wieder zur tiefen Nacht.
    Als ich sie das
nächste Mal öffnete, stand Bethesda vollständig
angekleidet vor meinem Lager und rüttelte an meiner Schulter.
Der Raum war von gelbem Licht erfüllt.
    »Was ist los mit
dir?« fragte sie. Ich richtete mich sofort auf und
schüttelte den Kopf. »Bist du krank? Nein? Dann solltest
du dich lieber beeilen. Alle anderen sind schon gegangen.«
Sie füllte einen Becher mit kaltem Wasser und reichte ihn mir.
»Ich hatte schon geglaubt, sie hätten dich völlig
vergessen, bis Tiro zurückgerannt kam und fragte, wo du
bleibst. Als ich ihm sagte, daß ich schon zweimal versucht
hätte, dich aufzuwecken, du jedoch noch immer im Bett
lägest, warf er nur die Hände in die Luft und eilte
seinem Herrn hinterher.«
    »Wie lange ist
das her?«
    Sie zuckte die
Schultern. »Noch nicht lange. Aber du wirst sie bestimmt
nicht mehr einholen, wenn du dich noch kurz waschen und eine
Kleinigkeit essen willst. Tiro sagte, du sollst dir keine Sorgen
machen, er würde dir einen Platz neben sich vor der Rostra
freihalten.« Sie nahm mir den leeren Becher ab und
lächelte. »Ich hab die Frau zu Gesicht
bekommen.«
    »Welche
Frau?« Das Bild von Elektra blitzte in meinem Kopf auf;
offenbar hatte ich von ihr geträumt, obwohl ich mich nicht
mehr daran erinnern konnte. »Und ich hab doch sicher noch
irgendwo eine saubere Tunika?«
    Sie wies auf einen
Stuhl in der Ecke, auf dem meine beste Kleidung ausgebreitet lag.
Einer von Ciceros Sklaven mußte sie aus meinem Haus geholt
haben. Die Tunika war blütenweiß. Ein Riß im Saum
meiner Toga war frisch gestopft. Selbst meine Schuhe waren sauber
geputzt und eingeölt.
    »Die
Frau«, sagte Bethesda noch einmal. »Die Caecilia
genannt wird.«
    »Caecilia
Metella war hier? Heute morgen?«
    »Sie kam kurz
nach Einbruch der Dämmerung in einer prachtvollen Sänfte
hier an. Es gab eine solche Unruhe unter den Sklaven, daß
mich der Lärm aus dem Bett gescheucht hat. Sie hat dich schon
zweimal in ihr Haus gelassen, stimmt’s? Es muß eine
großartige Villa sein.«
    »Das ist es
auch. Ist sie allein gekommen? Ich meine, nur mit ihrem
Gefolge?«
    »Nein, der Mann
war auch dabei; Sextus Roscius. Flankiert von sechs Wachen mit
gezückten Schwertern.« Sie machte eine Pause, und ihr
Blick verlor

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