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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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mich um und sah den auf seine Krücke
gestützten Tiro. »Gut«, sagte er, »daß
du doch noch gekommen bist. Ich hatte schon Angst -nun, egal. Ich
habe dich von gegenüber gesehen. Hier entlang, mir
nach.« Er humpelte durch die Menge und zog mich hinter sich
her. Ein bewaffneter Wächter nickte ihm zu und ließ uns
die Absperrung passieren. Wir überquerten eine freie
Fläche direkt vor der Rostra. Der verkupferte Schnabel eines
uralten Schlachtschiffes in der Form eines alptraumhaften Wesens
mit gehörntem Schädel hing bedrohlich über unseren
Köpfen. Das Ding starrte auf uns herab und sah fast lebendig
aus. An Alpträumen hatte es Kathargo nie gemangelt; als wir
die Stadt vernichteten, gab sie ihre bösen Träume an Rom
weiter.
    Die Fläche vor
der Rostra war ein kleines, offenes Rechteck. Auf der einen Seite
stand die Menge der Zuschauer, aus der sich die Sulla-Statue wie
eine felsige Insel erhob. Die Zuschauer standen dicht gedrängt
und sahen einander über die Schulter, abgesperrt durch einen
Kordon von Gerichtsbeamten. Auf der anderen Seite standen eine
Reihe von Bänken für Freunde der Prozeßgegner und
Zuschauer, die zu bedeutend waren, um zu stehen. In einer Ecke des
Rechtecks, zwischen Zuschauern und Rostra, standen die Bänke
der Anklage und der Verteidigung. Direkt vor der Rostra waren auf
einer Reihe von niedrigen Rängen die Stühle der
fünfundsiebzig aus dem Senat gewählten Richter
aufgestellt.
    Ich ließ meinen
Blick über die Gesichter der Richter wandern. Einige
dösten, andere lasen. Wieder andere saßen oder
disputierten miteinander. Einige zappelten nervös auf ihren
Sitzen hin und her, offenkundig wenig begeistert über die
Pflicht, die ihnen zugefallen war. Andere schienen ihren gewohnten
Geschäften nachzugehen, hatten Sklaven zum Diktat um sich
geschart und schickten Angestellte hin und her. Jeder von ihnen
trug die Toga eines Senators, was sie vom Pöbel, der jenseits
des Kordons randalierte, abhob. Früher einmal bestanden
Gerichte aus Senatoren und gemeinen Bürgern. Sulla hatte dem
ein Ende gemacht.      
    Ich blickte zur Bank
der Anklage, von wo aus Magnus mich mit verschränkten Armen,
mürrisch und mit bösem Blick anstarrte. Neben ihm
blätterten der Ankläger Gaius Erucius und seine
Assistenten diverse Unterlagen durch. Erucius war bekannt
dafür, abgefeimte Anklagen zu inszenieren, manchmal für
Geld, manchmal auch aus purer Böswilligkeit; er war ebenso
berühmt dafür zu gewinnen. Ich hatte auch schon für
ihn gearbeitet, allerdings nur, wenn ich großen Hunger litt.
Er bezahlte gut. Zweifelsohne hatte man ihm ein sehr ansehnliches
Honorar versprochen, wenn er den Tod von Sextus Roscius
erfocht.
    Erucius blickte auf,
als ich vorbeikam, schnaubte verächtlich, als er mich
erkannte, und wandte sich dann wieder ab, um einen Boten zu sich zu
winken, der in der Nähe auf Anweisungen wartete. Erucius war
sichtlich gealtert, seit ich ihn zuletzt gesehen hatte, was ihn
nicht attraktiver machte. Die Fettringe um seinen Hals waren dicker
geworden, und seine Brauen mußten dringend gezupft werden.
Wegen der Plumpheit seiner violetten Lippen sah er ständig
aus, als würde er schmollen, und seine Augen wirkten schmal
und berechnend. Er war das perfekte Abbild eines
hinterhältigen Advokaten. Viele bei Gericht verachteten ihn,
doch der Pöbel bewunderte ihn. Seine offene Verderbtheit,
seine weltmännische Stimme und sein salbungsvolles Gehabe
übten eine starke Faszination auf den kriecherischen Mob aus,
mit der hausbackene Ehrlichkeit und schlichte römische Tugend
unmöglich konkurrieren konnten. Wenn seine Anklage auf starken
Füßen stand, konnte er meisterlich das Verlangen der
Massen aufpeitschen, einen Schuldigen bestraft zu sehen. Stand sie
auf schwachen Füßen, säte er ebenso meisterhaft
Zweifel an der Unschuld des Angeklagten und schürte den
Argwohn gegen ihn. Vertrat er einen Fall mit heiklen politischen
Implikationen, konnte man sich darauf verlassen, daß er die
Richter, subtil, aber nachdrücklich daran erinnerte, wo genau
ihre eigenen Interessen lagen.
    Hortensius wäre
ein Gegner für ihn gewesen. Aber Cicero? Erucius war
offensichtlich von seinem Widersacher nicht sonderlich beeindruckt.
Er rief laut nach einem seiner Sklaven; er drehte sich um, um mit
Magnus zu scherzen (sie lachten beide); er räkelte sich und
schlenderte, die Hände in die Seite gestützt, umher, ohne
die Anklagebank eines Blickes zu würdigen. Dort saß
vornübergebeugt Sextus Roscius,

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