Das Lächeln des Cicero
mit entsetztem Blick und aufeinandergebissenen
Zähnen.
Bevor der Bademeister
alarmiert und die Lampen angezündet wurden, damit alle Welt
sehen konnte, was für ein Narr ich war, ließ ich ihn los
und zog mich aus dem Becken. Während ich zur Tür eilte,
trocknete ich mich hastig ab und achtete darauf, das Messer zu
verbergen, bevor ich ins Licht trat und meine Kleidung
zurückverlangte. Cicero hatte recht. Ich war völlig
verstört und gemeingefährlich. Man durfte mich nicht frei
herumlaufen lassen.
Tiro öffnete mir
die Tür. Er sah erschöpft, aber euphorisch aus, so durch
und durch zufrieden mit sich und seiner Existenz im Allgemeinen,
daß es ihn einige Anstrengung kostete, eine
mißbilligende Miene aufzusetzen. Im Hintergrund tönte
noch immer Ciceros Stimme, setzte ab und erhob sich von neuem,
eingepaßt in die Umgebung wie das Zirpen der
Zikaden.
»Cicero ist
wütend auf dich«, flüsterte Tiro. »Wo hast du
den ganzen Tag über gesteckt?«
»Ich hab mit den
Freunden großer Männer gesprochen«, sagte ich.
»Gespenster und alte Bekannte besucht. Bei Huren gelegen,
Verzeihung, bei Huren gelogen. Das Messer gezückt gegen
Fremde, die Annäherungsversuche gemacht
haben...«
Tiro verzog das
Gesicht. »Ich hab nicht die leiseste Ahnung, wovon du
sprichst.«
»Nicht? Ich
dachte, Cicero hätte dir alles beigebracht, was man über
Worte wissen muß. Und trotzdem kannst du mir nicht
folgen.«
»Bist du
betrunken?«
»Nein, aber du.
Ja, schau dich an - aufgekratzt wie ein Junge nach seinem ersten
Becher Wein. Berauscht von der Rhetorik deines Herrn, wie ich sehe.
Du bist jetzt seit acht Stunden ununterbrochen dabei,
wahrscheinlich mit leerem Magen. Ein Wunder, daß du
überhaupt den Weg zur Tür gefunden
hast.«
»Du redest
wirr.«
»Ich war nie
klarer. Du bist so narkotisiert von diesem Kauderwelsch, daß
ein wenig gesunder Menschenverstand dir so fade Vorkommen muß
wie frisches Quellwasser einem Quartalsäufer. Hör ihn dir
an - wie ein Messer, das über eine Schieferplatte kratzt, wenn
du mich fragst. Doch du führst dich auf, als wäre es der
Gesang einer Sirene.«
Es war mir endlich
gelungen, die Fröhlichkeit aus Tiros Gesicht zu vertreiben und
durch Fassungslosigkeit zu ersetzen. In diesem Moment sah Rufus
vorsichtig um die Ecke und kam dann lächelnd in die Halle
stolziert, mit geröteten Wangen und schweren, flatternden
Lidern. Er wirkte völlig erschöpft, was ihn in seinem
Alter nur noch charmanter aussehen ließ, vor allem weil er in
einem fort strahlte.
»Wir haben den
zweiten Entwurf fertig«, verkündete er.
Das Lamento aus
Ciceros Arbeitszimmer hatte abrupt aufgehört. Auf Rufus’
Gesicht lag ein Ausdruck schierer Verzückung wie bei einem
Kind, dem im Wald vielleicht gerade ein wundersames Wesen begegnet
war und das hoffnungslos um Worte verlegen war, es zu beschreiben.
»Brillant«, sagte er schließlich. » Aber
was weiß ich schon von Rhetorik? Nur was Lehrer wie Diodotus
und Mob mir beigebracht haben und was ich seit Kindesbeinen mit
eigenen Ohren gehört habe, wenn ich in Senatssitzungen und
Gerichtsverhandlungen dabeigesessen habe. Aber ich schwöre
dir, er wird dich morgen beim Prozeß zu Tränen
rühren. Männer werden mit geballten Fäusten
aufspringen und Sextus Roscius’ Freiheit fordern. Das ist
natürlich noch nicht die endgültige Version; wir
müssen auf allerlei Unwägbarkeiten gefaßt sein, je
nachdem, mit was für Tricks Erucius ankommt. Aber Cicero hat
sein Möglichstes getan, jede Eventualität vorauszuahnen,
und im Kern steht ein Schlußplädoyer, ausgefeilt und
perfekt, wie Säulen eines Tempels, die nur auf die Kuppel
warten. Es ist brillant, es gibt kein anderes Wort
dafür.«
»Du glaubst
nicht, daß es gefährlich ist?« fragte Tiro leise.
Er machte einen Schritt auf Rufus zu und flüsterte, um seine
Zweifel vor Cicero in seinem Arbeitszimmer zu verbergen.
»ln einem
Unrechtsstaat ist jede anständige Tat ihrem Wesen nach
gefährlich«, sagte Rufus. »Und auch mutig. Ein
mutiger Mann wird nicht davor zurückschrecken, sich in Gefahr
zu begeben, wenn er einer gerechten Sache dient.«
»Trotzdem,
machst du dir keine Sorgen darüber, was nach dem Prozeß
passieren könnte? Solch harte Worte gegen Chrysogonus, und
selbst Sulla kommt nicht ungeschoren davon. «
»Ist vor einem
römischen Gericht Raum für die Wahrheit?« sagte
Rufus. »Das ist hier die Frage. Sind wir schon so weit
gekommen, daß die Wahrheit als Verbrechen gilt? Cicero setzt
seine Zukunft
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