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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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sich in der Ferne, als versuche sie, sich an ein
wichtiges Detail zu erinnern. »Einer der Wächter sah
sehr gut aus.«      
    Ich setzte mich aufs
Bett, um die Lederriemen meiner Schuhe festzuziehen.
»Vermutlich hast du Sextus Roscius selbst nicht weiter
beachtet?«
    »Oh,
doch.«
    »Und wie sah er
aus?«
    »Sehr
blaß. Das Licht war natürlich auch noch ziemlich
schwach.«
    »Hell genug, um
dir den Wächter genau anzugucken.«
    »Den
Wächter hätte ich auch im Dunkeln noch gut
gesehen.«
    »Da bin ich
sicher. Jetzt hilf mir meine Toga anzulegen.«
    Auf dem Forum
herrschte die unruhige Atmosphäre eines halben Feiertages. Da
heute die Iden waren, waren sowohl die Komitien des Volkes als auch
die Curia des Senats geschlossen. Ein paar Geldverleiher und
Bankiers hatten ihre Büros jedoch geöffnet, und
während die Straßen am Rand praktisch leer waren, wurden
sie, als ich mich dem Zentrum des Forums näherte, immer
voller. Menschen aller Klassen, allein oder in Gruppen, strebten
der Rostra zu, umgeben von einer Aura düsterer Spannung. Die
Masse, die sich auf dem offenen Platz drängte, war so dicht,
daß ich mich unter Einsatz meiner Ellbogen
hindurchdrängen mußte. Es gibt nichts, was die
Römer mehr fasziniert als ein Prozeß, vor allem wenn er
verspricht, mit dem Ruin eines Menschen zu enden.
    Inmitten der Massen
kam ich an einer luxuriösen Sänfte mit zugezogenen
Vorhängen vorbei. Als ich an der Sänfte entlangging, fuhr
eine Hand heraus und packte meinen Unterarm. Ich blickte nach unten
und war überrascht, daß ein so gebrechliches Glied
solche Kraft aufbringen konnte. Die Hand löste ihren Griff und
zog sich zurück, wobei sie die deutlichen Abdrücke
fünf scharfer Fingernägel auf meiner Haut
hinterließ. Der Vorhang teilte sich, und die Hand forderte
mich auf, meinen Kopf hineinzustecken.
    Caecilia Metella ruhte
auf einem Lager von Plüschkissen, sie trug ein weites,
violettes Gewand und eine Perlenkette. Ihr spiralförmig
aufgetürmtes Haar wurde von einer silbernen Nadel gehalten,
deren Kopf mit einem Haufen Lapislazuli verziert war. Rechts hinter
ihr saß mit verschränkten Beinen der Eunuch
Ahausarus.
    »Was denkst du,
junger Mann?« fragte sie mit einem heiseren Flüstern.
»Wie wird es laufen?«
    »Für wen?
Cicero? Sulla? Die Mörder?«
    Sie runzelte die
Stirn. » Mach keine Witze. Für den jungen Sextus Roscius
natürlich.«
    »Schwer zu
sagen. Nur Auguren und Orakel können die Zukunft
Vorhersagen.«
    »Aber wo Cicero
doch so hart gearbeitet hat und mit Rufus’ Hilfe, wird
Roscius doch sicher das Urteil bekommen, das er
verdient.«
    »Wie kann ich
das beantworten, wo ich nicht weiß, wie das Urteil lauten
soll?«
    Sie sah mich finster
an und fuhr sich mit ihren langen, hennagefärbten Nägeln
über die Lippen. »Was sagst du? Nach allem, was du
über die Wahrheit in Erfahrung gebracht hast, kannst du doch
unmöglich annehmen, er sei schuldig. Oder doch?« Ihre
Stimme zitterte.
    »Wie jeder gute
Bürger«, erwiderte ich, »setze ich mein Vertrauen
in die römische Justiz.« Ich zog meinen Kopf zurück
und ließ den Vorhang fallen.
    Irgendwo inmitten der
Menschenmenge hörte ich jemanden meinen Namen rufen. In diesem
besonderen Moment schien es äußerst unwahrscheinlich,
daß irgend jemand, der mich kannte, mir Gutes wünschte;
ich drängte weiter, aber eine Gruppe breitschultriger Arbeiter
versperrte mir den Weg. Eine Hand legte sich auf meine Schulter.
Ich atmete tief ein und drehte mich langsam um.
    Zunächst erkannte
ich ihn nicht, weil ich ihn zuvor nur auf seinem Hof von des Tages
Arbeit müde und mit schmutziger Toga oder entspannt und voll
des Weines gesehen hatte. Titus Megarus aus Ameria sah völlig
verändert aus, er trug eine edle Toga, und sein Haar war
sorgfältig pomadisiert und gekämmt. Sein Sohn Lucius, der
noch nicht alt genug war, eine Toga zu tragen, hatte ein
züchtiges, langärmeliges Gewand an. Er strahlte vor
atemloser Begeisterung.
    »Gordianus, was
für ein Glück, daß ich dich in diesem Gedränge
treffe! Du ahnst ja nicht, wie gut es einem Bauern vom Land tut, in
der Stadt ein bekanntes Gesicht zu sehen -«
    »Es ist
phantastisch!« unterbrach ihn Lucius. »Was für ein
Ort - das hätte ich mir nie vorstellen können. So
groß, so schön. Und all die Menschen. In welchem Teil
der Stadt lebst du? Es muß wundervoll sein, an einem Ort zu
leben, wo immer soviel passiert.«
    »Ich hoffe, du
verzeihst seine Manieren.« Titus wischte ihm liebevoll

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