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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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schien Beweis seiner Unschuld zu sein.
»Natürlich war es Selbstmord«, fuhr er Cicero
an.« Wir wissen alle, in welchem Geisteszustand der Mann sich
seit Monaten befunden hat. Ein Vatermörder, der langsam
verrückt wird. So hat die Gerechtigkeit am Ende doch gesiegt,
und Sextus Roscius war sein eigener Henker.« Sulla lachte
wenig fröhlich und wurde dann aschfahl. »Aber wenn er
entschlossen war, sich selbst zu richten, warum hat er dann bis
nach dem Prozeß gewartet? Warum hat er sich nicht gestern oder
vorgestern oder letzten Monat umgebracht und uns all den Ärger
erspart?« Er schüttelte den Kopf. »Er wird
freigesprochen - und bringt sich dann um. Seine Schuld holt ihn
erst ein, nachdem das Gericht ihm die Absolution erteilt hat. Das
ist absurd, geradezu lächerlich. Als Ergebnis bleibt nur,
daß ich vor den Augen der ganzen Stadt gedemütigt worden
bin!« Er ballte eine Faust, rollte die Augen himmelwärts
und murmelte anklagend: »Fortuna!«
    Ich begriff, daß
ich Zeuge wurde, wie ein Mann mit seiner Schutzgöttin haderte
wie mit einer Geliebten. Sein ganzes Leben lang war Sulla von
Fortuna begünstigt gewesen; Ehre, Reichtum, Ruhm und
Lustbarkeiten waren ihm in den Schoß gefallen, und nicht
einmal die geringfügigsten Rückschläge hatten den
triumphalen Fortgang seiner Karriere behindert, jetzt war er ein
alter Mann, dessen Körper und Macht verfielen, und Fortuna
zeigte sich auf einmal launenhaft wie eine gelangweilte Geliebte,
die mit seinen Feinden flirtete und ihn mit kleinlichen Niederlagen
und banalen Rückschlägen strafte, die einem so
erfolgverwöhnten Mann tatsächlich abwegig Vorkommen
mußten.
    Er wickelte sich in
seine Toga und schritt Richtung Tür, den Kopf wie den Schnabel
eines angreifenden Schiffes gesenkt. Als Cicero und Rufus zur Seite
gingen, trat ich vor und stellte mich ihm mit demütig
gesenktem Kopf in den Weg.
    »Lucius Sulla -
guter Sulla -, ich darf doch annehmen, daß das nichts an den
Bedingungen ändert, auf die wir uns heute abend hier geeinigt
haben?«
    Ich war nah genug, um
zu hören, wie er scharf die Luft einzog, und spürte auch
die Wärme auf meiner Stirn, als er wieder ausatmete. Mir kam
es so vor, als würde er sich für die Antwort sehr lange
Zeit lassen - lange genug, um mich unter heftigem Pochen meines
Herzen zu fragen, welcher verrückte Impuls mich getrieben
hatte, ihm in den Weg zu treten. Aber ungeachtet der Kälte in
seiner Stimme, antwortete er ruhig: »Es hat sich nichts
geändert.«
    »Dann sind Cicero
und seine Verbündeten nach wie vor immun und vor der Rache der
Roscier sicher -«
    »Selbstverständlich.«
    »- und die
Familie von Sextus Roscius wird trotz seines Todes eine
Entschädigung von Chrysogonus erhalten?«
    Sulla hielt inne. Ich
hielt meinen Blick zu Boden gewandt. »Natürlich«,
sagte er. »Für seine Frau und seine Töchter wird
gesorgt werden, trotz des Selbstmordes.«
    »Du bist
gnädig und gerecht, Lucius Sulla«, sagte ich und machte
ihm den Weg frei. Er ging, ohne sich umzusehen, wartete nicht
einmal, bis ihn ein Sklave nach draußen begleitete. Wenig
später hörten wir, wie die Tür geöffnet und
wieder zugeschlagen wurde, bevor die Straße vom Lärm
seines abziehenden Gefolges widerhallte. Dann war alles wieder
still.
    Während des
nachfolgenden Schweigens kam erneut eine Sklavin ins Zimmer, um die
Trümmer zu beseitigen, die Sulla zurückgelassen hatte.
Während sie die Scherben zusammensuchte, starrte Cicero
abwesend auf den Haferbrei, den Sulla gegen die Wand geschleudert
hatte. » Laß die Rollen einfach liegen, Athalena. Sie
sind bestimmt alle durcheinander. Tiro wird sie später
aufräumen.« Sie nickte gehorsam, und Cicero begann, auf
und ab zu gehen.
    »Welche
Ironie«, sagte er schließlich. »So viele
Anstrengungen auf allen Seiten, und am Ende ist sogar Sulla
enttäuscht. Cui bono, fürwahr?«
    »Zunächst
mal zu deinem, Cicero.«
    Er sah mich schelmisch
an und konnte das Lächeln, das über seine Lippen huschte,
nicht verbergen. Auf der anderen Seite des Raums sah Tiro
verwirrter und niedergeschlagener aus denn je.
    Rufus schüttelte
den Kopf. »Sextus Roscius, ein Selbstmörder. Was meinte
Sulla eben damit, die Gerechtigkeit hätte gesiegt und Roscius
sei sein eigener Henker
gewesen?«      
    »Auf dem Weg zu
Caecilias Haus werde ich dir alles erzählen«, sagte ich.
»Wenn Cicero es dir nicht lieber selbst erklären
will.« Ich sah Cicero direkt an, der an der Vorstellung
offenkundig wenig Gefallen fand.

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