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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Unabhängigkeit zu demonstrieren?
Capito und Magnus hinkten schlicht sechs Monate hinterher, das ist
alles. Vor einem halben Jahr hätten die Meteller keinen Finger
gerührt, um Sextus Roscius zu retten. Aber jetzt spüren
sie, daß meine Macht im Schwinden ist; jetzt haben sie sich
entschlossen, die Grenzen meines Ansehens auszuloten und mich mit
einer Niederlage vor Gericht zu treffen. Wie sich diese
mächtigen, alten Familien an der festen Hand eines Diktators
reiben, obwohl ich meine Macht immer dafür eingesetzt habe,
ihre Truhen zu füllen und die neidischen Massen in Schach zu
halten. Sie wollen alles für sich - genau wie Magnus und
Capito. Bist du wirklich so stolz darauf, ihr Held zu sein, Cicero,
einen blutbesudelten Vatermörder zu retten, nur um mir einen
Tritt in den Unterleib zu versetzen, und das alles im Namen der
alten Römertugend?«
    Lange starrten sich
Sulla und Cicero direkt in die Augen. Mir war, als würde Sulla
auf einmal sehr alt und sehr müde aussehen und Cicero sehr
jung. Doch es war Cicero, der seinen Blick als erster
senkte.
    »Was geschieht
jetzt mit Sextus Roscius?« fragte ich.
    Sulla lehnte sich
zurück und atmete tief ein. »Er ist ein freier Mann,
entlastet durch das Gesetz. Ein Vatermörder und ein zweifacher
Brudermörder. Hat es ein solcher Mann verdient weiterzuleben?
Aber dank Cicero ist diese erbärmliche Kreatur eine Art
leidender Held geworden, ein mieser kleiner an einen Felsen
geketteter Prometheus. Wenn man ihm die Eingeweide heraushacken
würde, wie er es verdient, wäre das Volk empört. Zu
Sextus Roscius wird Fortuna also gnädig sein.
    Die Güter seines
Vaters werden nicht an ihn zurückgegeben. Das würden
meine radikalsten Feinde natürlich am liebsten sehen - eine
ordnungsgemäße Proskription wird rückgängig
gemacht, und der Staat räumt einen peinlichen Irrtum ein.
Nein! Das wird nicht passieren, nicht solange ich lebe. Die
Roscius-Güter verbleiben in der Hand ihrer jetzigen Besitzer,
aber —«
    Sulla verzog das
Gesicht und biß sich auf die Zunge, als habe er Wermut
geschmeckt. »Aber Chrysogonus wird Sextus Roscius freiwillig
andere Güter, möglichst weit weg von Ameria,
überlassen, deren Wert den Gütern entspricht, die man ihm
abgenommen hat. Soll der Vatermörder Sextus Roscius an einem
anderen Ort, wo niemand ihn und seine Vergangenheit kennt, sein
gewohntes Leben führen, so gut er kann; aber die Proskription
bleibt bestehen, und die beschlagnahmten Güter und seine
Bürgerrechte bleiben ihm aberkannt. Nach allem, was du von
diesem Mann weißt, kannst du wohl kaum behaupten, daß
das ungerecht ist, oder, Cicero?« 
    Cicero strich sich
über die Oberlippe. »Und was ist mit meiner Sicherheit
und der Sicherheit derer, die mir geholfen haben? Es soll Menschen
geben, die vor Mord nicht
zurückschrecken.«      
    »Es wird kein
weiteres Blutvergießen geben, keine Racheakte von Magnus oder
Capito. Was den mysteriösen Tod eines gewissen Mallius Glaucia
anbetrifft, dessen Leiche heute, zweifelsohne angemessen, in einer
Latrine aufgefunden wurde - der Fall ist abgeschlossen und
vergessen. Die Kreatur hat nie existiert. Darauf habe ich auch
gegenüber den Rosciern mit Nachdruck
bestanden.«
    Cicero kniff die Augen
zusammen. »Ein Handel hat immer zwei Seiten, Lucius
Sulla.«
    »Ja. Ja, in der
Tat. Ich erwarte eine gewisse Zurückhaltung deinerseits,
Cicero. Als Gegenleistung für meine Bemühungen zur
Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung wirst du auf eine
Mordanklage gegen Capito und Magnus verzichten; es wird keine
offizielle Beschwerde gegen die Proskription von Sextus Roscius
pater und keine offizielle Beschwerde wegen böswilliger
Anklageführung gegen Erucius geben. Weder du noch irgendein
Metellus oder einer seiner Handlanger wird einen wie auch immer
begründeten Prozeß gegen Chrysogonus anstrengen. Das
sage ich dir ganz ausdrücklich, Cicero, damit du es an deine
Freunde unter den Metellern weiterleiten kannst. Hast du mich
verstanden?«
    Cicero
nickte.
    Sulla erhob sich. Das
Alter hatte sein Gesicht verwittert, aber die Schultern ließ
er nicht hängen. Seine Anwesenheit erfüllte den ganzen
Raum. Neben ihm sahen Cicero und Tiro aus wie schlaksige
Jungen.
    »Du bist ein
kluger junger Mann, Marcus Tullius Cicero, und nach allem, was ich
höre, ein begnadeter Redner. Entweder du bist
unvernünftig kühn oder wahnsinnig ehrgeizig, vielleicht
auch beides - genau die Art Mann, die meine Freunde und ich auf dem
Forum gebrauchen könnten. Ich

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