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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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jemandem geplant
haben. Meines Vaters oder Tiros? Nein, die sind ja beide schon tot.
Vielleicht deines Vaters?«
    Das fand Cicero nicht
komisch. »Ich habe ein hypothetisches Modell in den Raum
gestellt, Gordianus. Ich wollte nur deine Meinung bezüglich
einiger Faktoren hören - methodisches Vorgehen,
Praktikabilität, Plausibilität - im Zusammenhang mit
einem sehr realen und tödlichen Verbrechen. Einem Verbrechen,
das bereits begangen worden ist. Es ist leider eine tragische
Tatsache, daß ein gewisser Bauer aus dem Dörfchen Ameria

    »Der jenem
hypothetischen Bauern, den du mir eben beschrieben hast,
ähnelt?«
    »Bis aufs Haar.
Wie ich gerade sagen wollte, vor fast acht Monaten wurde in den
Straßen Roms ein gewisser Bauer aus Ameria in einer
Vollmondnacht an den Iden des September ermordet. Seinen Namen
scheinst du bereits zu kennen: Sextus Roscius. In heute genau acht
Tagen - an den Iden des Mai -wird der Prozeß gegen seinen
Sohn eröffnet, der angeklagt ist, die Ermordung seines Vaters
geplant zu haben. Ich habe seine Verteidigung
übernommen.«
    »Bei einer
solchen Verteidigung ist der Ankläger überflüssig,
sollte man meinen.«
    »Was soll das
heißen?«
    »Nach allem, was
du gesagt hast, scheint es offenkundig, daß du den Sohn
für schuldig hältst.«
    »Unsinn! War ich
so überzeugend? Das sollte mich wohl freuen. Ich wollte dir
nur eine Vorstellung von dem Bild geben, das seine Ankläger
zeichnen könnten.«
    »Willst du etwa
sagen, du glaubst, dieser Sextus Roscius ist
unschuldig?«
    »Natürlich!
Warum sollte ich ihn sonst gegen diese haarsträubenden
Anschuldigungen verteidigen?«
    »Cicero, ich
kenne genug Advokaten und Redner, um zu wissen, daß sie nicht
notwendigerweise an die Sache glauben müssen, die sie
vertreten. Genausowenig wie sie einen Mann für unschuldig
halten müssen, um seine Verteidigung zu
übernehmen.«
    Plötzlich starrte
mich Tiro wütend quer über den Tisch an.
    »Du hast kein
Recht, so zu sprechen«, sagte er mit einem kleinen Kiekser in
der Stimme. »Marcus Tullius Cicero ist ein Mann von
allerhöchsten Prinzipien und unzweifelhafter Integrität,
ein Mann, der sagt, was er denkt, und jedes Wort glaubt, das er
sagt, was heutzutage in Rom vielleicht selten ist, aber trotzdem

    »Das
reicht!« Ciceros Stimme klang ungeheuer kräftig, aber
nicht besonders zornig. Er hob die Hand in der typischen
Rhetorengeste Haltet ein!, schien dabei jedoch ein Lächeln
nicht unterdrücken zu können.
    »Du mußt
dem jungen Tiro verzeihen«, sagte er und beugte sich mit
einem Anflug von Vertraulichkeit näher zu mir. »Er ist
ein loyaler Diener, und dafür bin ich dankbar. Das ist
heutzutage selten genug.« Er sah Tiro voller Zuneigung an,
offen, ehrlich und ohne Scham. Tiro fand es auf einmal angemessen,
woanders hinzusehen - auf den Tisch, das Tablett und zu dem sanft
wogenden Vorhang.
    »Aber vielleicht
ist er manchmal auch ein wenig zu loyal. Was meinst du, Gordianus?
Was denkst du, Tiro - vielleicht sollten wir dieses Thema Diodotus
bei seinem nächsten Besuch vorschlagen und sehen, was der
Meister der Redekunst daraus macht. Ein durchaus passendes
Stück für eine gelehrte Debatte: Kann ein Sklave seinem
Herrn gegenüber zu loyal sein? Will sagen, zu enthusiastisch
in seiner Hingabe, zu bereitwillig in der Verteidigung seines
Herrn?«
    Ciceros Blick streifte
das Tablett, und er nahm sich ein Stück getrockneten Apfel. Er
hielt es zwischen Daumen und Zeigefinger hoch und betrachtete es,
als überlegte er, ob seine empfindliche Konstitution in der
Mittagshitze einen so winzigen Happen vertragen konnte. Es entstand
ein Schweigen, nur unterbrochen vom Gezwitscher eines Vogels
draußen im Atrium. In der Stille schien der Raum um uns herum
erneut zu atmen oder es zumindest zu versuchen, er rang vergeblich
um einen Hauch frischer Luft; der Vorhang bauschte sich
zögernd nach innen und wieder nach außen, nie weit
genug, um wirklich ein Lüftchen in der einen oder anderen
Richtung durchzulassen, als sei der Wind ein warmes und greifbares
Wesen, das sich in dem bestickten Saum verheddert hatte. Cicero
runzelte die Stirn und legte das Apfelstückchen wieder auf das
Tablett zurück.
    Plötzlich gab der
Vorhang ein vernehmbares Schnalzen von sich. Ein Hauch warmer Luft
strömte über die Fliesen und meine Füße. Der
Raum hatte seinen zurückgehaltenen Seufzer endlich
getan.
    »Du fragst, ob
ich Sextus Roscius des Mordes an seinem Vater für schuldig
halte?« Cicero spreizte seine Finger

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