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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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irgendeinem Punkt war das Gespräch unserer
Kontrolle entglitten und hatte rasant eine aufwieglerische Richtung
genommen.
    »Ja«,
sagte ich. »Wenn du darauf bestehst: Sulla.« Ich wandte
mich ab. Mein Blick fiel auf den gelben Vorhang. Ich ertappte mich
dabei hindurchzustarren, als könnte ich dahinter Bilder eines
alten Alptraums erkennen. »Warst du in Rom, als die
Proskriptionen begannen?«
    Cicero
nickte.
    »Ich auch. Dann
weißt du ja, wie es war. Jeden Tag wurde eine neue Liste
Geächteter auf dem Forum angeschlagen. Und wer stand immer
ganz vorne, um die Namen zu lesen? Nein, niemand, der vielleicht
aufgeführt gewesen sein könnte. Die hatten sich alle zu
Hause verkrochen oder sich klugerweise auf dem Land
verbarrikadiert. Die ersten in der Schlange waren immer die Banden
und ihre Anführer - weil es Sulla egal war, wer seine Feinde
oder vermeintlichen Feinde vernichtete, solange sie nur vernichtet
wurden. Man mußte sich nur den Kopf eines Geächteten
über die Schulter werfen und eine Quittung unterschreiben, um
einen Sack Silber in Empfang zu nehmen. Es gab nichts, was man
nicht tun durfte, um an diesen Kopf zu kommen. Die Haustür
eines Bürgers aufbrechen, seine Kinder schlagen, seine Frau
vergewaltigen - nur die Wertsachen mußten an Ort und Stelle
verbleiben, denn wenn der Kopf erst vom Rumpf getrennt war, fiel
der Besitz eines geächteten Römers an
Sulla.«
    »Nicht
ganz...«
    »Ich habe mich
natürlich falsch ausgedrückt. Ich wollte sagen, wenn ein
Feind des Staates enthauptet wird, wird sein Anwesen beschlagnahmt,
und sein Besitz fällt dem Staat zu -was bedeutet, daß es
zum frühestmöglichen Termin auf einer Auktion zu
Schleuderpreisen an Sullas Freunde verkauft
wird.« 
    Daraufhin erbleichte
selbst Cicero. Er verbarg seine Erregung geschickt, aber ich
beobachtete, wie seine Augen für den Bruchteil einer Sekunde
unruhig hin und her schossen, als habe er Sorge, daß sich
zwischen den Papyrusrollen Spione verbergen könnten. »Du
bist ein Mann von radikalen Ansichten, Gordianus. Die Hitze
löst deine Zunge. Aber was hat das mit dem erörterten
Thema zu tun?«
    Ich mußte
lachen. »Und was ist das Thema? Ich glaube, ich hab es
vergessen.«
    »Wie man einen
Mord arrangiert«, gab Cicero ungehalten zurück und klang
ganz wie der Lehrer einer Rednerschule, der einen widerspenstigen
Schüler zum vorgegebenen Thema zurücksteuern will.
»Einen Mord aus rein persönlichen Motiven.
«
    »Nun gut. Ich
versuche ja nur zu zeigen, wie leicht es heutzutage ist, einen
Mörder zu finden. Und nicht nur in der Subura. Du kannst dich
an jeder Straßenecke umsehen - ja, sogar an dieser. Ich
würde jede Wette eingehen, daß ich nur dein Haus
verlassen und genau einmal um den Block gehen müßte, um
mit einem neuen Freund zurückzukehren, der mehr als bereit
wäre, meinen vergnügungssüchtigen, mit Huren
verkehrenden, hypothetischen Vater zu ermorden.«
    »Du
übertreibst, Gordianus. Wärst du in Rhetorik ausgebildet,
würdest du die Grenzen einer Hyperbel
kennen.«
    »Ich
übertreibe nicht. So dreist sind die Banden inzwischen
tatsächlich. Das ist einzig und allein Sullas Schuld. Er hat
sie zu seinen persönlichen Kopfgeldjägern gemacht. Er hat
sie von der Leine gelassen, auf daß sie in Rom herumstreunen
wie ein Rudel Wölfe. Bis zum Ende der Proskriptionen im
letzten Jahr hatten die Banden praktisch unbegrenzte Macht zu jagen
und zu töten. Gut, hin und wieder bringen sie den Kopf eines
Mannes, der nicht auf der Liste steht - na und? So was kann
Vorkommen. Setzt man seinen Namen eben auf die Liste. Der Tote wird
posthum zum Feind des Staates erklärt. Keine große
Sache, wenn deswegen seine Familie enterbt wird, seine Kinder
ruiniert und in die Armut getrieben werden, frisches Blut für
die Banden. Irgendein Freund Sullas wird ein neues Stadthaus
erwerben.«
    Cicero sah aus, als
habe er Zahnschmerzen. Er hob die Hand, um mich zum Schweigen zu
bringen. Ich hob die Hand, um seinen Protest abzuwehren.
    »Ich komme erst
zu dem, was ich eigentlich sagen will. Es sind nämlich nicht
nur die Reichen und Mächtigen, die seit den Proskriptionen
gelitten haben und noch immer leiden. Wenn die Büchse der
Pandora erst einmal geöffnet ist, kann niemand sie wieder
schließen. Verbrechen wird zur Gewohnheit. Das Undenkbare
wird gewöhnlich. Von hier, wo du lebst, siehst du es nicht.
Die Straße ist zu eng und zu ruhig. Kein Unkraut
sprießt zwischen den Pflastersteinen vor deiner Tür. Oh,
in der schlimmsten Zeit sind

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