Das Lächeln des Cicero
Portion
mit.«
Ein grausamer Mann
hätte den Satz mit einem Lächeln gesprochen. Ein
geringerer hätte die Augen zu Boden geschlagen. Cicero tat
weder das eine noch das andere, und in diesem Augenblick
verspürte ich das erste Fünkchen Respekt für
ihn.
Tiro verließ den
Raum. Einen Moment lang spielte Cicero mit einem Ring an seinem
Finger, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder mir
zu.
»Du wolltest mir
gerade erzählen, wie man einen Mord in den Straßen Roms
arrangiert. Verzeih mir, wenn die Frage unverschämt klingt.
Ich will natürlich keineswegs andeuten, daß du je selbst
die Götter durch die Verwicklung in ein derartiges Verbrechen
beleidigt hast. Aber man sagt - Hortensius sagt -, daß du
dich in derlei Angelegenheiten ein wenig besser auskennst. Wer, wie
und wieviel...«
Ich zuckte die
Schultern. »Wenn einer einen anderen ermorden lassen will,
ist daran nichts besonders Schwieriges. Wie gesagt, ein Wort zum
richtigen Mann, ein Goldstück wechselt von Hand zu Hand, und
die Sache ist erledigt.«
»Aber wo findet
man den richtigen Mann?«
Ich hatte vergessen,
wie jung und unerfahren er trotz seiner Bildung und seines Witzes
noch war. »Es ist leichter, als du denkst. Seit Jahren
kontrollieren die Banden nach Einbruch der Dunkelheit die
Straßen, manchmal sogar bei Tageslicht.«
»Aber diese
Banden kämpfen doch gegeneinander.«
»Die Banden
kämpfen gegen jeden, der ihnen in die Quere
kommt.«
»Ihre Verbrechen
sind politischer Natur. Sie verbünden sich mit einer
bestimmten Partei -«
»Sie haben keine
politischen Anschauungen, es sei denn die desjenigen, der sie
anheuert. Sie kennen auch keine Loyalität außer der, die
man mit Geld kauft. Denk nach, Cicero. Wo kommen die Banden her?
Einige sind direkt hier in Rom entstanden, wie Maden unter einem
Stein - die Armen, die Kinder der Armen, ihre Enkel und Urenkel.
Ganze Verbrecherdynastien, Generationen von Schurken, die
reinrassig kriminelle Stammbäume hervorbringen. Sie verhandeln
miteinander wie kleine Nationen und heiraten untereinander wie
Adelsfamilien. Und sie verdingen sich wie Söldner für den
Politiker oder General, der ihnen die größten
Versprechungen macht.«
Cicero blickte zur
Seite und durch die durchsichtigen Falten des gelben Vorhangs, als
könne er dahinter den gesamten menschlichen Abschaum Roms
ausmachen. »Wo kommen sie bloß alle her?«
murmelte er.
»Sie
sprießen aus dem Pflaster«, sagte ich. »Wie
Unkraut. Oder es treibt sie vom Land in die Stadt, Flüchtlinge
der endlosen Folge von Kriegen. Denk mal darüber nach: Sulla
gewinnt seinen Krieg gegen die aufständischen italienischen
Verbündeten und bezahlt seine Soldaten mit Land. Aber um
dieses Land zu bekommen, müssen die besiegten Verbündeten
erst vertrieben werden. Wo enden sie, wenn nicht als Bettler und
Sklaven in Rom? Und wofür das Ganze? Das Land ist vom Krieg
verwüstet. Die Soldaten haben keine Ahnung, wie man es
bestellt; in ein oder zwei Jahren verkaufen sie ihren Gutsbesitz an
den Meistbietenden und kehren in die Stadt zurück. Das Land
fällt in die Hände von einigen wenigen
Großgrundbesitzern; Kleinbauern, die sich gegen die
Konkurrenz wehren, werden niedergerungen und enteignet - und auch
sie finden den Weg nach Rom. Immer öfter habe ich das in
meinem Leben mit angesehen, die Kluft zwischen Arm und Reich, die
Winzigkeit des einen, die Größe des anderen. Rom ist wie
eine Frau von sagenumwobenem Reichtum und legendärer
Schönheit, in Gold gewandet und mit Juwelen behängen, den
Bauch dick mit einem Fötus namens Imperium - und von Kopf bis
Fuß mit Millionen herumkrabbelnder Läuse
verseucht.«
Cicero runzelte die
Stirn. »Hortensius hatte mich gewarnt, daß du
politische Reden schwingen würdest.«
»Das liegt nur
daran, daß Politik die Luft ist, die wir atmen - ich atme,
also was sollte sonst herauskommen? In anderen Städten ist es
vielleicht anders, aber nicht in der Republik und nicht, so lange
wir denken können. Nenn es Politik, nenn es Realität. Die
Banden existieren nicht ohne Grund. Niemand kann sie vertreiben.
Jeder fürchtet sie. Ein Mann, der zum Mord entschlossen ist,
findet einen Weg, sie für seine Zwecke zu nutzen. Er
müßte nur dem Vorbild erfolgreicher Politiker
nacheifern.«
»Du
meinst...«
»Ich meine
keinen bestimmten Politiker. Alle benutzen die Banden oder
versuchen es zumindest.«
»Aber du meinst
Sulla.«
Cicero hatte den Namen
als erster ausgesprochen. Ich war überrascht. Ich war
beeindruckt. An
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