Das Lächeln des Cicero
den Weg zu Caecilias Haus.«
»Jetzt sofort?
In der Hitze? Es ist gerade Mittag vorbei.«
»Wir dürfen
keine Zeit vergeuden. Wenn dir die Hitze zu viel ist, könnte
ich eine Sänfte für dich kommen lassen - aber nein, das
würde zu lange dauern. Es ist nicht weit, Tiro, hol uns zwei
breitkrempige Hüte.«
Tiro warf seinem Herrn
einen kläglichen Blick zu.
»Na gut, dann
hol drei.«
6
»Was
läßt dich annehmen, daß sie zu dieser Stunde
überhaupt wach ist?«
Das Forum lag
völlig verlassen da. Die Pflastersteine schimmerten in der
Hitze. Keine Menschenseele war unterwegs mit Ausnahme von uns
dreien, die wir wie Diebe über die Steinplatten schlichen. Ich
ging schneller. Die Hitze brannte durch die dünnen Sohlen
meiner Schuhe. Meine beiden Begleiter trugen teures Schuhwerk, wie
ich bemerkte, mit dickeren Sohlen zum Schutz ihrer
Füße.
»Caecilia wird
bestimmt wach sein«, versicherte mir Cicero. »Sie
leidet unter hoffnungsloser Schlaflosigkeit - soweit ich das
beurteilen kann, schläft sie nie.«
Wir erreichten den
Fuß der Via Sacra. Mein Mut sank, als ich die steile, schmale
Straße hinaufblickte, die zu den imposanten Villen auf dem
Palatin führte. Die Straße bestand nur aus Steinen und
Sonne und war völlig ohne jeden Schatten. Die Schichten
flirrender Hitze ließen den Gipfel des Palatin im Dunst
verschwimmen, sehr hoch und sehr weit weg.
Wir begannen den
Aufstieg. Tiro ging voran und schien die Anstrengung nicht zu
bemerken. Der Eifer, mit dem er sich als Begleiter angeboten hatte,
kam mir merkwürdig vor. Es war mehr als bloße Neugierde
und der Wunsch, seinem Herrn zu folgen. Aber es war zu heiß,
um weiter darüber zu grübeln.
»Um eines
muß ich dich bitten, Gordianus.« Cicero zeigte erste
Anzeichen von Ermattung, aber er redete darüber hinweg wie ein
wahrer Stoiker. »Mir hat die Offenheit gefallen, mit der du
eben in meinem Arbeitszimmer gesprochen hast. Niemand könnte
behaupten, daß du kein ehrlicher Mann bist. Aber hüte
deine Zunge in Caecilias Haus. Ihre Familie ist seit langem mit
Sulla verbunden - seine verstorbene vierte Frau war eine
Metella.«
»Du meinst die
Tochter von Delmaticus? Von der er sich hat scheiden lassen, als
sie auf dem Sterbebett lag?«
»Genau. Die
Metelli waren über die Scheidung nicht eben glücklich,
trotz Sullas Ausflüchten.«
»Die Auguren
haben in eine Schale mit Schafeingeweiden geblickt und ihm gesagt,
die Krankheit seiner Frau würde das ganze Haus
verpesten.«
»Das hat Sulla
jedenfalls behauptet. Caecilia selbst würde wahrscheinlich an
nichts, was du sagen könntest, Anstoß nehmen, aber man
kann nie wissen. Sie ist eine alte Frau, unverheiratet und
kinderlos. Sie hat bisweilen merkwürdige Anwandlungen - wie
alle Frauen, die zu lange sich selbst überlassen bleiben, ohne
Ehemann und Familie, die sie mit vernünftigen Aufgaben
beschäftigt halten könnten. Momentan gehört ihre
Leidenschaft jedem orientalischen Kult, der gerade neu und schick
in Rom ist, je entlegener und bizarrer, desto besser. Rein irdische
Angelegenheiten berühren sie nicht so besonders.
Aber es ist durchaus
wahrscheinlich, daß noch jemand mit besseren Ohren und
schärferen Augen im Haus ist, ich denke an meinen guten jungen
Freund Marcus Messalla - wir nennen ihn wegen seines roten Haares
Rufus. Er ist kein Fremder in Caecilia Metellas Haus; er kennt sie
seit seiner Kindheit, und sie ist beinahe so etwas wie eine Tante
für ihn. Ein prächtiger junger Mann - oder mit seinen
sechzehn Jahren noch nicht ganz ein junger Mann. Rufus kommt recht
häufig zu Zusammenkünften, Vorträgen und dergleichen
in mein Haus, und er kennt sich bei Gericht schon ziemlich gut aus.
Er möchte unbedingt bei der Verteidigung von Sextus Roscius
helfen.«
»Aber?«
»Aber seine
familiären Verbindungen machen ihn gefährlich. Hortensius
ist sein Halbbruder - als er den Fall abgab, schickte er den jungen
Rufus zu mir, um mir die Sache anzudienen. Noch entscheidender
jedoch ist, daß die ältere Schwester des Jungen eben
jene Valeria ist, die Sulla vor kurzem zur fünften Frau
genommen hat. Der arme Rufus empfindet wenig Zuneigung für
seinen neuen Schwager, aber die Heirat hat ihn in eine prekäre
Lage gebracht. Ich möchte dich bitten, dich in seiner
Gegenwart mit Beleidigungen unseres geschätzten Diktators
zurückzuhalten.«
»Natürlich,
Cicero.« Als ich das Haus am Morgen verlassen hatte,
hätte ich im Leben nicht angenommen, in Kürze mit solch
hochadeligen Zeitgenossen wie den
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