Das Lächeln des Cicero
und preßte die
Spitzen gegeneinander. »Die Antwort lautet nein. Wenn du ihn
kennenlernst, wirst du ebenfalls von seiner Unschuld überzeugt
sein.«
Offenbar sollten wir
jetzt endlich zur Sache kommen. Ich hatte auch langsam genug von
den Spielchen in Ciceros Arbeitszimmer, genug von dem gelben
Vorhang und der drückenden Hitze.
»Wie genau ist
er ums Leben gekommen, der alte Herr? Knüppel, Messer, Steine?
Wie viele Angreifer? Gab es Zeugen? Hat man die Täter
identifiziert? Wo hielt sich der Sohn zum Zeitpunkt der Tat genau
auf, und wie hat er davon erfahren? Wer hatte sonst noch Grund, den
Alten umzubringen? Wer führt die Anklage gegen seinen Sohn und
warum?« Ich machte eine kurze Pause, allerdings nur um einen
Schluck Wein zu nehmen. »Und noch etwas -«
»Gordianus«, sagte
Cicero lachend, »wenn ich all das wüßte,
müßte ich deine Dienste wohl kaum in Anspruch nehmen,
oder?«
»Aber ein
bißchen mußt du doch wissen.«
»Mehr als ein
bißchen, aber noch immer nicht genug. Nun gut, zumindest
deine letzte Frage kann ich beantworten. Die Anklage ist
eingebracht worden von einem Anwalt namens Gaius Erucius. Wie ich
sehe, hast du schon von ihm gehört - oder ist dir der Wein im
Mund zu Essig geworden?«
»Ich habe mehr
als nur von ihm gehört«, sagte ich. »Hin und
wieder habe ich sogar schon für ihn gearbeitet, aber nur, weil
ich hungrig war. Erucius wurde als Sklave auf Sizilien geboren;
jetzt ist er ein Freigelassener und der größte
Winkeladvokat in ganz Rom. Es kommt ihm nur auf das Honorar an. Er
würde einen Mann verteidigen, der seine Mutter vergewaltigt
hat, wenn es um genug Gold ginge, und die alte Frau hinterher der
Verleumdung anklagen, wenn er irgendeinen Profit darin sehen
könnte. Hast du irgendeine Ahnung, wer ihn engagiert hat, den
Fall zu übernehmen?«
»Nein, aber wenn
du Sextus Roscius triffst -«
»Du redest
dauernd davon, daß ich irgendwelche Leute treffen soll -
zuerst Caecilia Metella, jetzt Sextus Roscius, werden sie bald zu
uns stoßen?«
»Eigentlich
wäre es das beste, wenn wir sie aufsuchen.«
»Was macht dich
so sicher, daß ich mitkommen werde? Ich bin unter dem
Eindruck hierhergekommen, du hättest Arbeit für mich,
aber bis jetzt hast du mir noch nicht einmal erklärt, was du
eigentlich willst. Von Bezahlung war bisher ebensowenig die
Rede.«
»Ich kenne dein
übliches Honorar, zumindest soweit Hortensius mich davon
unterrichten konnte. Ich bin davon ausgegangen, daß er
Bescheid weiß.«
Ich nickte.
»Was den Auftrag
anbetrifft, geht es um folgendes: Ich möchte einen Beweis
für Sextus Roscius’ Unschuld. Mehr noch, ich will
wissen, wer die wahren Mörder sind. Mehr noch, ich will
wissen, wer diese Mörder beauftragt hat und warum. Und all das
binnen acht Tagen, vor den Iden.«
»Du tust so, als
hätte ich den Auftrag schon angenommen. Vielleicht bin ich
nicht interessiert, Cicero.«
Er schüttelte den
Kopf und lächelte ein dünnlippiges Lächeln.
»Du bist nicht der einzige, der Schlüsse über den
Charakter eines anderen Menschen ziehen kann, bevor er ihn
getroffen hat, Gordianus. Ich weiß das eine oder andere
über dich. Genaugenommen drei Dinge. Jedes dieser drei
würde dich veranlassen, den Fall anzunehmen. Erstens brauchst
du Geld. Ein Mann mit deinen Mitteln, der in einem großen
Haus auf dem Esquilin lebt - da kann es gar nicht genug Geld geben.
Hab ich recht?«
Ich zuckte die
Schultern.
»Zweitens hat
Hortensius mir erzählt, daß du Geheimnisse liebst. Oder
vielmehr Geheimnisse haßt. Du bist der Typ, der das Ungewisse
nicht ertragen kann, der sich getrieben fühlt, die Wahrheit
der Unwahrheit zu entreißen, im Chaos nach einer verborgenen
Ordnung zu suchen. Wer hat den alten Roscius ermordet, Gordianus?
Du hängst schon am Haken wie ein Fisch an der Angel.
Gib’s zu.«
»Na
ja...«
»Drittens bist
du ein Mann, der die Gerechtigkeit liebt.«
»Hat dir das
auch Hortensius gesagt? Hortensius könnte einen Gerechten
nicht von -«
»Das hat mir
keiner gesagt. Das habe ich in der letzten halben Stunde selbst
herausbekommen. Kein Mensch, der die Gerechtigkeit nicht liebt,
würde so offen seine Meinung sagen wie du. Ich biete dir eine
Gelegenheit, etwas dafür zu tun.« Er beugte sich in
seinem Stuhl vor. »Könntest du mit ansehen, wie ein
Unschuldiger hingerichtet wird? Wirst du den Fall also
übernehmen oder nicht?«
»Das werde
ich.«
Cicero klatschte in
die Hände und sprang auf. »Gut. Sehr gut! Wir machen uns
sofort auf
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