Das Lächeln des Cicero
Lachen. Cicero zuckte zusammen ob meiner
Unverschämtheit.
»Du bist ein
echter Klugschwätzer, was?« bellte Sextus Roscius.
»Ein schlauer Stadtmensch wie die anderen auch. Was willst
du?«
»Nur die
Wahrheit, Sextus Roscius. Die herauszufinden ist nämlich mein
Beruf, und weil die Wahrheit das einzige ist, das einen
unschuldigen Mann retten kann - einen Mann wie
dich.«
Roscius sank tiefer in
seinen Stuhl. Er hätte es an Muskelkraft mit zwei von uns
aufnehmen können, selbst in seinem geschwächten Zustand,
aber mit Worten war er leicht zu schlagen.
»Was willst du
wissen?«
»Wo sind deine
Sklaven?«
Er zuckte die
Schultern. »Zu Hause in Ameria natürlich. Auf den
Gütern.«
»Alle? Du hast
keine Sklaven mitgebracht, die kochen, saubermachen und sich um
deine Töchter kümmern? Das verstehe ich
nicht.«
Tiro neigte sich zu
Cicero und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Cicero nickte und
winkte ab. Tiro verließ den Raum.
»Was für
einen wohlerzogenen kleinen Sklaven du hast.« Roscius
kräuselte die Lippen. »Fragt seinen Herrn um Erlaubnis,
wenn er mal pissen muß. Hast du die sanitären Anlagen
hier gesehen? Absolut einzigartig. Fließendes Wasser direkt
im Haus. Mein Vater hat ständig davon geredet - du weißt
ja, wie sehr alte Männer es hassen, nachts nach draußen
zu müssen, um Wasser zu lassen. Das braucht man hier nicht!
Der Abort ist viel zu edel, als daß Sklaven hier
scheißen sollten, wenn du mich fragst. Normalerweise stinkt
es auch nicht so übel, außer wenn es so verdammt
heiß ist.«
»Wir sprachen
von deinen Sklaven, Sextus Roscius. Mit zweien von ihnen würde
ich ganz besonders gerne reden. Die beiden Lieblingsdiener deines
Vaters, die in der Nacht seines Todes bei ihm waren. Felix und
Chrestus. Sind die auch in Ameria?«
»Woher soll ich
das wissen?« gab er mürrisch zurück. »Die
sind wahrscheinlich längst abgehauen. Oder man hat ihnen die
Kehle durchgeschnitten.«
»Und wer sollte
so etwas tun?«
»Ihnen die Kehle
durchschneiden? Dieselben Männer, die meinen Vater ermordet
haben, natürlich.«
»Und
warum?«
»Weil die
Sklaven Augenzeugen waren, du Dummkopf.«
»Und woher
weißt du das?«
»Weil sie es mir
gesagt haben.«
»Hast du so vom
Tod deines Vaters erfahren - durch die Sklaven, die bei ihm
waren?«
Roscius zögerte.
»Ja. Sie haben mir einen Boten aus Rom
geschickt.«
»Du warst in
Ameria in der Nacht, in der er getötet
wurde?«
»Natürlich.
Das können mindestens zwanzig Leute
bezeugen.«
»Und wann hast
du von dem Mord erfahren?«
Roscius zögerte
erneut. »Der Bote traf am übernächsten Morgen
ein.«
»Und was hast du
dann gemacht?«
»Ich bin noch am
selben Tag in die Stadt gekommen. Ein anstrengender Ritt. Man kann
es in acht Stunden schaffen, wenn man ein gutes Pferd hat. Ich bin
bei Tagesanbruch losgeritten und in der Abenddämmerung hier
angekommen -im Herbst sind die Tage kurz. Die Sklaven haben mir die
Leiche gezeigt. Die Wunden...« Seine Stimme wurde zu einem
Flüstern.
»Und haben sie
dir auch die Straße gezeigt, in der er ermordet
wurde?«
Sextus Roscius starrte
zu Boden. »Ja.«
»Den genauen
Tatort?«
Er schauderte.
»Ja.«
»Ich muß
ihn persönlich in Augenschein nehmen.«
Er schüttelte den
Kopf. »Ich werde nicht noch einmal dorthin
gehen.«
»Ich verstehe.
Die beiden Sklaven können es mir zeigen, Felix und
Chrestus.« Ich beobachtete sein Gesicht. Ein Leuchten blitzte
in seinen Augen auf, und ich war auf einmal argwöhnisch,
obwohl ich nicht sagen konnte, weswegen. »Ah«, sagte
ich, »aber die Sklaven sind ja in Ameria, oder
nicht?«
»Das habe ich
dir doch schon gesagt.« Roscius schien trotz der Hitze zu
zittern.
»Aber ich
muß den Tatort so bald wie möglich inspizieren. Ich kann
nicht warten, bis diese Sklaven nach Rom gebracht worden sind.
Soweit ich weiß, war dein Vater auf dem Weg zu einem
Etablissement, das man das Haus der Schwäne nennt. Vielleicht
hat sich das Verbrechen ja in der Nähe ereignet.
«
»Ich hab noch
nie von dem Lokal gehört.« Log er mich an oder nicht?
Ich betrachtete sein Gesicht, aber mein Instinkt
versagte.
»Vielleicht
könntest du mir trotzdem erklären, wie ich zum Tatort
komme?«
Er konnte und er tat
es. Das überraschte mich ein wenig, wenn ich in Betracht zog,
wie wenig er sich in der Stadt auskannte. Es gibt tausend
Straßen in Rom, und nur eine Handvoll von ihnen hat Namen.
Aber anhand der markanten Punkte, an die Roscius sich erinnern
konnte, tüftelten Cicero und ich mit
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