Das Lächeln des Cicero
irgendwelche
Vettern den Rest verwalten. Wenn man ihn darum bittet, ein wenig
präziser zu werden, bekommt er einen seiner Anfälle.
Meiner Meinung nach hat Hortensius den Fall aus reiner Frustration
aufgegeben.«
Ahausarus bat uns mit
großem Getue und viel Trara durch den letzten Vorhang.
»Sextus Roscius, der Sohn des Sextus Roscius«, sagte er
und nickte einer Gestalt zu, die in der Mitte des Raumes saß,
»ein hochgeschätzter Klient meiner Herrin. Ich bringe
Besucher«, sagte er mit einer vage abschätzigen Geste in
unsere Richtung. »Der junge Massala und Cicero, der Anwalt,
die du bereits kennengelernt hast. Und ein weiterer Herr namens
Gordianus.« Tiro überging er natürlich, genauso wie
er die Frau, die im Schneidersitz nähend in einer Ecke des
Raumes auf dem Boden saß, sowie die beiden Mädchen
ignorierte, die unter dem Oberlicht knieten und
spielten.
Ahausarus zog sich
zurück. Rufus trat vor. »Du siehst besser aus heute,
Sextus Roscius.«
Der Mann nickte
matt.
»Vielleicht hast
du uns heute nachmittag mehr zu erzählen. Cicero muß mit
der Vorbereitung deiner Verteidigung beginnen - in acht Tagen
fängt dein Prozeß an. Deswegen ist auch Gordianus
mitgekommen, den man den Sucher nennt. Er verfügt über
die besondere Fähigkeit, die Wahrheit zu ergründen.
«
»Ein
Magier?« Zwei traurige Augen blickten mich an.
»Nein«,
sagte Rufus. »Ein Ermittler. Mein Bruder Hortensius bedient
sich des öfteren seiner Talente.«
Die traurigen Augen
wandten sich Rufus zu. »Hortensius - der Feigling, der den
Schwanz zwischen die Beine geklemmt hat und geflüchtet ist?
Was soll mir ein Freund von Hortensius nutzen?«
Rufus’ blasses,
sommersprossiges Gesicht nahm die Farbe reifer Kirschen an. Er
klappte seinen Mund auf, aber ich hob meine Hand. »Sag mir
eins«, sprach ich mit lauter Stimme. Cicero runzelte die
Stirn und schüttelte den Kopf, aber ich winkte ab. »Sag
es mir jetzt, bevor wir fortfahren. Sextus Roscius von Ameria: Hast
du deinen Vater ermordet oder seine Ermordung in irgendeiner Weise
geplant und vorbereitet?«
Ich baute mich direkt
vor ihm auf, so daß er zu mir aufblicken mußte, was er
auch tat. Was ich sah, war ein einfaches Gesicht von der Art, wie
römische Politiker es gerne und lustvoll preisen, ein von
Sonne, Wind und Wetter gegerbtes Gesicht. Roscius mochte ein
reicher Bauer sein, er war nichtsdestoweniger ein Bauer. Kein Mann
kann Landarbeiter befehligen, ohne selbst das Aussehen eines
Landarbeiters anzunehmen und sich die Fingernägel schmutzig zu
machen, selbst wenn er Sklaven kommandiert. Sextus Roscius hatte
etwas Ungeschliffenes an sich, ein charakteristisches Phlegma, so
leer und unbeweglich wie Granit. Dies war der Sohn, den man auf dem
Lande zurückgelassen hatte, um die Rücken der
störrischen Sklaven zu peitschen und dafür zu sorgen,
daß die Ochsen ausgespannt wurden, während der
hübsche junge Gaius als verhätschelter Stadtjunge mit
großstädtischen Manieren im Haus seines
vergnügungssüchtigen Vaters aufwuchs.
Ich suchte in seinen
Augen nach Groll, Verbitterung, Eifersucht oder Habgier. Und ich
sah nichts. Statt dessen sah ich die Augen eines Tieres, das mit
einem Fuß in eine Falle geraten ist und die
näherkommenden Jäger hört.
Roscius antwortete mir
zu guter Letzt mit einem leisen, heiseren Flüstern:
»Nein.« Er sah mir unentwegt in die Augen. Angst war
alles, was ich darin sah, und obwohl die Angst einen eher als alles
andere zum Lügen verleitet, glaubte ich, daß er mir die
Wahrheit sagte. Cicero mußte dasselbe gesehen haben; Cicero
hatte mir erklärt, daß Roscius unschuldig war und
daß ich ihn nur treffen müßte, um es selbst zu
sehen.
Sextus Roscius war von
mittlerem Alter, und wenn man davon ausging, daß er ein hart
arbeitender Mann von beträchtlichem Reichtum war, konnte ich
seine heutige Erscheinung nur für untypisch halten. Die
schreckliche Last seiner ungewissen Zukunft - oder die schreckliche
Schuld seines Verbrechens - lag schwer auf seinen Schultern. Seine
Haare und sein Bart waren länger, als selbst die Mode auf dem
Land es vorschrieb, zottig, ungepflegt und voller grauer
Strähnen. Er saß zusammengesunken auf einem Stuhl,
gebeugt und zerbrechlich, obwohl ich mit einem Seitenblick auf
Cicero und Rufus feststellen konnte, daß er ein
vergleichsweise sehr viel größerer Mann mit
kräftigen Muskeln war. Unter seinen Augen hatten sich dunkle
Ringe gebildet. Seine Haut wirkte teigig. Seine Lippen waren
trocken und
Weitere Kostenlose Bücher