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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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vereinten Kräften
die Route aus. Es war so kompliziert, daß wir es aufschreiben
mußten. Cicero sah sich um und murmelte etwas von Tiros
Abwesenheit; zum Glück hatte Tiro seine Wachstafel und seinen
Stylus hinter Ciceros Stuhl auf dem Boden liegenlassen. Rufus
erklärte sich bereit, die Schreibarbeit zu
übernehmen.
    »Nun sag mir,
Sextus Roscius: Weißt du, wer deinen Vater ermordet
hat?«
    Er senkte den Blick
und sagte sehr lange nichts. Vielleicht war es nur die Hitze, die
ihn erschöpft hatte. »Nein.«
    »Trotzdem hast
du Cicero erzählt, daß du dasselbe Schicksal
befürchtest - daß irgendwelche Männer entschlossen
seien, auch dich zu töten. Daß die Anklage selbst ein
Angriff auf dein Leben sei.«
    Roscius
schüttelte den Kopf und schlang die Arme um sich. Das trotzige
Leuchten in seinen traurigen Augen wurde matt. »Nein,
nein«, murmelte er. »So was hab ich nie gesagt.«
Cicero warf mir einen erstaunten Blick zu. Roscius’ Gemurmel
wurde lauter. »Gebt es auf, alle miteinander! Gebt es auf!
Ich bin ein todgeweihter Mann. Man wird mich in den Tiber werfen,
in einen Sack eingenäht, und wofür? Für nichts! Was
soll nur aus meinen beiden kleinen Töchtern werden, meinen
hübschen kleinen Töchtern, meinen schönen
Mädchen?« Er fing an zu weinen. 
    Rufus trat neben ihn
und legte ihm die Hand auf die Schulter, doch Roscius
schüttelte sie heftig ab.
    Ich erhob mich und
verbeugte mich förmlich. »Kommt, meine Herren, ich
glaube, wir sind hier für heute fertig.«
    Cicero stand
widerwillig auf. »Aber du hast doch sicher gerade erst
angefangen. Frag ihn -«
    Ich legte einen Finger
auf meine Lippen, wandte mich zum Gehen und rief Rufus, der noch
immer versuchte, Sextus Roscius zu trösten. Ich hielt den
Vorhang für Cicero und Rufus zur Seite und warf dann einen
letzten Blick zurück zu Roscius, der zitternd auf seinen
Fingerknöcheln herumkaute.
    »Über dir
schwebt ein schrecklicher Schatten, Sextus Roscius von Ameria. Ob
es Schuld, Scham oder Furcht ist, kann ich nicht erkennen, und du
hast offenbar nicht die Absicht, es zu erklären. Aber ob es
dich nun tröstet oder quält: Ich verspreche dir,
daß ich alles in meinen Kräften Stehende unternehmen
werde, um den Mörder deines Vaters zu entlarven, wer immer es
sei; und ich werde erfolgreich sein.«
    Roscius hieb mit der
Faust auf die Lehne. Seine Augen waren noch immer feucht, aber er
weinte nicht mehr. Das Feuer war wieder
aufgelodert.      
    »Mach, was du
willst!« fuhr er mich an. »Noch so ein
Großstadtidiot. Ich hab dich nicht um deine Hilfe gebeten.
Als ob die Wahrheit von irgendeiner Wichtigkeit oder Bedeutung
wäre. Geh schon, geh und begaffe seine Blutflecken auf dem
Boden! Geh und schau dir an, wo der Alte auf dem Weg zu seiner Hure
gestorben ist! Was für einen Unterschied macht das schon?
Selbst hier bin ich nicht sicher!«
    Das war nicht alles.
Ich ließ meinen Arm sinken, und der schwere Vorhang
verschluckte den Rest seiner Beschimpfungen.
    »Mir kommt es so
vor, als wüßte er mehr, als er uns sagt«, sagte
Rufus, als wir durch den Flur zu Caecilias Flügel
gingen.
    »Natürlich
tut er das. Aber was?« Cicero verzog das Gesicht. »Ich
beginne zu verstehen, warum Hortensius den Fall abgegeben
hat.«
    »Tatsächlich?«
fragte ich.
    »Der Mann ist
unmöglich. Wie soll ich ihn verteidigen? Verstehst du jetzt,
warum Caecilia ihn in diesen stinkigen Winkel des Hauses verbannt
hat. Am liebsten würde ich den Fall auch wieder
abgeben.«
    »Davon
würde ich dir abraten.«
    »Wieso?
    »Weil meine
Ermittlung eben erst begonnen hat und wir bereits einen
vielversprechenden Anfang gemacht haben.«
    »Aber wie kannst
du so etwas sagen? Wir haben nichts herausbekommen, weder von
Caecilia noch von Roscius selbst. Caecilia weiß nichts und
ist nur wegen ihrer sentimentalen Anhänglichkeit an den Toten
in den Fall verwickelt. Roscius weiß etwas, sagt es uns aber
nicht. Was könnte ihn so sehr ängstigen, daß er
seinen eigenen Verteidigern nicht hilft? Wir wissen nicht einmal
genug, um zu entscheiden, worüber er lügt.« Cicero
zog eine verzweifelte Miene.
    »Aber trotzdem,
beim Herkules, ich glaube noch immer, daß er unschuldig ist.
Hast du nicht auch das Gefühl?«
    »Ja, schon
möglich. Aber du irrst, wenn du glaubst, daß wir nichts
von Bedeutung entdeckt haben. Ich habe bloß aufgehört,
ihm weitere Fragen zu stellen, weil ich schon genug lose Enden zum
Entwirren habe. Ich habe heute nachmittag genug erfahren, um mich
die nächsten zwei

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