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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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entdeckte ich eine weitere Markierung, die meinen Atem
stocken ließ.
    »Sieh dir das
an, Tiro!« Ich eilte zurück und hockte mich neben die
Tür. Von Hüfthöhe abwärts war das Holz mit
einem Schmutz- und Staubfilm überzogen, der zum Boden hin in
eine immer dicker werdende Dreckschicht überging. Trotzdem
konnte man den Handabdruck in Kniehöhe noch recht deutlich
erkennen. Ich legte meine Hand darauf und verspürte ein
eigenartiges Schaudern, als mir ohne jeden Zweifel klar wurde,
daß ich einen blutigen Handabdruck berührte, den Sextus
Roscius vor Monaten hier hinterlassen hatte.
    Tiro blickte erst auf
den Handabdruck, dann auf den Fleck auf der Straße.
»Sie sind recht weit voneinander entfernt«,
flüsterte er.
    »Ja. Aber dieser
Fleck war zuerst da.« Ich stand auf und ging an der Tür
vorbei bis zur Ecke. Die kleine, enge Abzweigung war überhaupt
keine Straße oder, wenn sie es je gewesen war, zumindest
jetzt mit einer soliden, zwei Stockwerke hohen Mauer zugemauert.
Der Zwischenraum bis zur Ecke war vielleicht sieben oder acht Meter
lang und keine zwei Meter breit. Am Ende hatte jemand Müll
verbrannt; Abfall- und Knochenreste ragten aus einem hüfthohen
Haufen weißer und grauer Asche. Hier hinaus lagen keine
Fenster, weder von den Mauern zur Linken und Rechten noch von dem
Mietshaus gegenüber. Die nächste Fackel war mindestens
vierzig Schritte entfernt aufgestellt. In der Nacht würde die
kleine Sackgasse völlig im Dunkeln liegen und erst dann
eingesehen werden können, wenn man sie direkt passierte - ein
perfekter Ort für einen Hinterhalt.
    »Hier haben sie
gewartet, Tiro, genau an dieser Stelle, in dieser Einbuchtung, weil
sie wußten, daß er auf dem Weg zu dieser Elena, die ihn
benachrichtigt hatte, hier vorbeikommen würde. Wahrscheinlich
haben sie gewußt, wie er aussah, gut genug, um ihn im Licht
der Fackeln seiner Sklaven zu erkennen. Sie haben keinen Moment
gezögert, sich an dieser Ecke auf ihn zu stürzen und auf
ihn einzustechen.«
    Ich ging langsam zu
dem Handabdruck. »Die erste Verletzung muß eine Brust-
oder Bauchwunde gewesen sein - ich vermute, sie haben ihm direkt
ins Gesicht geblickt, um sicherzugehen -, denn er konnte sie
mühelos mit der Hand berühren, hineinpacken, sich die
ganze Hand mit Blut beschmieren. Irgendwie riß er sich los.
Vielleicht hat er geglaubt, diese Tür aufstoßen zu
können, aber er muß auf die Knie gefallen sein - du
siehst ja, wie niedrig der Abdruck ist.« Ich warf einen Blick
auf die Straße hoch. »Aber das eigentliche Gemetzel hat
dort, mitten auf der Straße stattgefunden. Irgendwie hat er
sich noch einmal auf die Füße gerappelt und ist bis
dorthin getaumelt, bevor sie ihn zu Boden
streckten.«
    »Vielleicht
haben die Sklaven versucht, die Angreifer abzuwehren«, sagte
Tiro.      
    »Vielleicht«, sagte
ich, obwohl ich mir gut vorstellen konnte, daß sie beim
ersten Blitzen von Stahl in blinder Panik davongestoben
waren.
    Ich bückte mich
erneut, um den Handabdruck zu untersuchen. Plötzlich begann
die hohe und breite Tür zu zittern, sprang auf und traf mich
voll auf die Nase.
    »Hey, was ist
denn das?« vernahm ich eine Stimme von drinnen. »Schon
wieder ein Strolch, der vor meinem Laden schläft? Ich
laß dich verprügeln. Los, verschwinde, laß mich
die Tür aufmachen!«
    Die Tür rumpelte
erneut. Ich blockierte sie mit dem Fuß, bis ich aufgestanden
und zur Seite getreten war.
    Ein knorriges Gesicht
lugte dahinter hervor. »Verschwinde, hab ich gesagt!«
knurrte der Mann. Die Tür schwang in den Angeln zitternd in
weitem Bogen auf und schlug gegen die Mauer auf der anderen Seite
der Sackgasse, so daß der kleine Gang, in dem die Mörder
sich versteckt hatten, völlig versperrt war.
    »Oh, doch kein
Strolch«, murmelte der alte Mann und musterte mich von oben
bis unten. Ich rieb mir noch immer die Nase. »Ich bitte um
Verzeihung.« Seiner Stimme war keine Andeutung von
Freundlichkeit oder Bedauern anzuhören.
    »Ist das dein
Laden?«
    »Sicher ist das
mein Laden. Seit mein Vater gestorben ist, und das war
wahrscheinlich lange vor deiner Geburt. Davor hat er seinem Vater
gehört.« Er blinzelte in die Sonne und schüttelte
wie angeekelt ob so viel Helligkeit den Kopf, bevor er zurück
in den Laden schlurfte.
    »Du machst erst
jetzt deinen Laden auf«, sagte ich, ihm nach drinnen folgend.
»Das kommt mir reichlich spät vor.«
    »Das ist mein
Laden. Ich fange an, wenn ich soweit bin.«
    »Wenn er soweit
istl« kreischte eine Stimme vor

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