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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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letztem September, glaub ich.«
    Ich nickte. »Und
wie -«
    »Ein Mann ist
mitten auf der Straße ermordet worden, ein reicher Mann, wie
ich gehört habe. Stell dir das vor, direkt vor meinem Laden
erstochen.«
    »Im
Dunkeln?«
    »Natürlich
- sonst wäre die Tür doch offen gewesen, oder nicht? Bei
Herkules - stell dir vor, er wäre hier hereingewankt, als der
Laden noch auf war! Der Klatsch und der Ärger hätten kein
Ende mehr genommen.«
    »Alter, du
weißt doch gar nichts über die Sache, also warum bist du
nicht einfach still? Frag den werten Herrn, ob er etwas kaufen
möchte.« Die Frau hielt den Kopf weiter gesenkt und
starrte mich wie ein Stier unter ihren buschigen Augenbrauen
an.
    »Natürlich
weiß ich, daß ein Mann umgebracht wurde, wenn du nichts
dagegen hast«, bellte der Alte sie an.
    »Wir haben
nichts gesehen und nichts gehört. Nur den Tratsch am
nächsten Morgen.«
    »Tratsch?«
fragte ich. »Dann hat es also im Viertel Gerede gegeben.
Stammte der Tote von hier?«
    »Nicht daß
ich wüßte«, sagte der Mann. »Es heißt
nur, daß ein paar Stammkunden der Schwäne dabei waren,
als man am nächsten Morgen seine Leiche umdrehte, und die
sollen sein Gesicht erkannt haben.«
    »Die
Schwäne?«
    »Ein
Vergnügungslokal für Männer. Ich selbst weiß
nichts weiter darüber.« Er rollte mit den Augen, wies
verstohlen auf seine Frau und senkte die Stimme. »Obwohl mein
Junge mir ein paar ziemlich wilde Geschichten über den Laden
erzählt hat.«
    Das Messer sauste mit
besonderer Grimmigkeit auf den Tresen nieder.
    »Es ist
jedenfalls irgendwann passiert, nachdem wir den Laden abgeschlossen
hatten und nach oben ins Bett gegangen waren.«
    »Und du hast gar
nichts gehört? Man sollte doch annehmen, daß es Schreie
oder andere Geräusche gegeben hat.«
    Der Mann wollte
antworten, aber seine Frau unterbrach ihn. »Unsere Zimmer
liegen nach hinten hinaus. Wir haben kein Fenster zur Straße.
Was interessiert dich das eigentlich so?«
    Ich zuckte die
Schulter. »Ich bin nur vorbeigekommen und habe den
Handabdruck bemerkt.«
    »Meine
Frau«, sagte der Mann mit Leidensmiene.
»Abergläubisch wie die meisten Frauen.«
    Das Messer sauste nach
unten. »Ich hab ihn aus einem ganz praktischen Grund dran
gelassen. Hatten wir irgendwelche Diebstähle, seit es passiert
ist? Na?«
    Der alte Mann verzog
den Mund. »Sie glaubt, es würde bei Nacht die Diebe
abschrecken. Ich hab ihr gesagt, daß es wahrscheinlich eher
die Kunden abhält.«
    »Wenn die
Tür offen ist, kann man es ja nicht sehen, weil es auf der
Rückseite ist. Nur bei geschlossener Tür kann man es von
der Straße aus sehen, und dann brauchen wir schließlich
Schutz. Du nennst mich abergläubisch? Ein gewöhnlicher
Verbrecher wird es sich zweimal überlegen, bevor er einen
Laden mit einem blutigen Handabdruck am Eingang ausraubt. Man
schlägt einem Dieb die Hände ab, weißt du. Das
macht Eindruck, das sag ich dir aber. Wenn wir es uns selbst
ausgedacht hätten und es etwas anderes als Blut gewesen
wäre, wäre es ohne Bedeutung, kein Schutz, gar nichts.
Aber der Abdruck eines Sterbenden, der hat schon eine gewisse
Macht. Frag den Fremden hier. Er hat es auch gespürt, oder
nicht?
    »Ich hab es
gespürt!« Es war der hinter mir stehende Tiro. Drei
Augenpaare wandten sich ihm zu und sahen, wie sein Gesicht
tomatenrot anlief.
    »Du bist sicher,
daß du ihn nicht verkaufen willst?« fragte der alte
Mann, und sein Atem ging auf einmal pfeifend.
    »Ich hab dir
doch schon gesagt -«
    »Eine
Macht!« kreischte die alte Frau.
    »Sag mir: Wer
hat den Mord gesehen? Es muß doch Klatsch gegeben haben.
Tagein, tagaus kommen die Leute in deinen Laden. Wenn
tatsächlich jemand Zeuge dieses Mordes war, müßtest
du das doch wissen.«
    Der Alte atmete
plötzlich wieder normal. Er starrte mich lange an und wandte
sich dann seiner Frau zu. Soweit ich es erkennen konnte, starrte
sie ihn nur wütend an, aber vielleicht hatte sie ihm auch ein
unmerkliches Zeichen gegeben, das meinen Augen entgangen war, denn
als er sich erneut umdrehte, schien er die widerwillige Erlaubnis
zum Reden erteilt bekommen zu haben.
    »Es gibt eine
Person... eine Frau. Sie lebt in dem Mietshaus gegenüber. Ihr
Name ist Polia. Eine junge Frau, eine Witwe. Sie lebt allein mit
ihrem Sohn, einem kleinen stummen Jungen. Mir ist, als hätte
ein anderer Kunde gesagt, daß Polia direkt danach mit jedem
über den Mord geredet hätte und wie sie ihn mit eigenen
Augen von ihrem Fenster aus gesehen habe. Natürlich

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