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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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einer Ladentheke im hinteren
Teil. Der lange Raum lag im Dunkel. Nach dem blendenden Licht auf
der Straße starrte ich wie ein Blinder in die Finsternis.
»Wenn er soweit ist, sagt er!
    Wenn ich ihn endlich
dazu bringen kann, aufzustehen und sich anzuziehen, heißt
das. Wenn ich soweit bin, könnte er genausogut sagen. Eines
Tages werde ich mir auch nicht mehr die Mühe machen, aus dem
Bett zu steigen, und statt dessen einfach nur rumliegen wie er, und
was soll dann werden?«
    »Halt’s
Maul, Alte!« Der Mann stieß gegen einen flachen Tisch,
ein Korb stürzte um, und getrocknete Oliven wurden über
den ganzen Boden verteilt. Tiro trat vor und begann, sie
einzusammeln.
    »Wer ist
das?« fragte der alte Mann, sich vorbeugend und blinzelnd.
»Dein Sklave?«
    »Nein.«
    »Na ja, benimmt
sich jedenfalls wie ein Sklave. Du willst ihn nicht vielleicht
verkaufen?«
    »Ich hab dir
doch gesagt, er ist nicht mein Sklave.«
    Der Alte zuckte die
Schultern. »Wir hatten auch mal einen Sklaven. Bis mein
dummer Sohn den faulen Hund freigelassen hat. Er hat früher
immer morgens den Laden aufgemacht. Was ist schon Schlimmes dabei,
wenn ein alter Mann gerne ausschläft, solange er einen Sklaven
hat, der den Laden für ihn aufmacht? Er hat auch nicht viel
gestohlen, selbst wenn er ein fauler Hund war. Eigentlich sollte er
immer noch hier sein, Sklave oder nicht. Ein Freigelassener hat
gewisse Verpflichtungen gegenüber demjenigen, der ihn
freigelassen hat, das weiß doch jeder, gesetzliche
Verpflichtungen, jawohl, Sklave oder nicht, und im Moment brauchen
wir ihn. Statt dessen treibt er sich irgendwo in Apulia herum und
hat sich eine Frau genommen. Gib ihnen die Freiheit und das erste,
was ihnen einfällt, ist loszuziehen und Nachwuchs in die Welt
zu setzen wie anständige Leute auch. Er hat den Laden immer
aufgemacht. Hat auch nicht viel gestohlen.«
    Während er so
weiterleierte, gewöhnten sich meine Augen langsam an die
Dunkelheit. Der Laden befand sich in einem Zustand
fortgeschrittenen Verfalls, staubig und ungefegt.
    Die runzligen,
schwarzen Oliven, die Tiro wieder eingesammelt hatte, waren mit
Staub bedeckt. Ich hob den Deckel einer tönernen Urne und nahm
mir eine getrocknete Feige. Das Fruchtfleisch war mit grauem
Schimmel überzogen. Der ganze Raum war vom muffigen Gestank
eines lange leerstehenden Hauses erfüllt, vermischt mit dem
süßsauren Geruch verfaulter Früchte.
    »Woher willst du
das denn wissen?« krähte eine schrille Stimme aus dem
hinteren Teil des Ladens. Ich konnte die Frau jetzt deutlicher
erkennen. Sie trug ein schwarzes Kopftuch und schien irgend etwas
mit einem Messer kleinzuhacken, so daß sie jeden Satz mit
einem scharfen Hieb auf den Tresen unterstrich. »Du
weißt doch gar nichts, Alter, oder du kannst dich nicht mehr
daran erinnern. Dein Kopf ist doch wie ein Sieb. Dieser Nichtsnutz
von Gallius hat dauernd geklaut. Ich hätte ihm wegen Diebstahl
die Hände abhacken lassen, aber wem hätte das etwas
genutzt? Einen Sklaven ohne Hände kann man nicht verkaufen,
und einen Dieb will auch niemand haben, außer die Minen und
die Galeeren, und totes Fleisch bringt nichts ein, wie man sagt. Er
war nicht gut für uns. Ohne jemand wie ihn sind wir besser
dran.« 
    Der Mann wandte sich
langsam wieder mir zu und zog eine Grimasse hinter dem Rücken
der Frau. »Tja, bist du nun hier, um etwas zu kaufen, oder
willst du dir anhören, wie eine alte Frau Unsinn
redet?«
    Ich sah mich nach
etwas halbwegs Eßbarem um. »Eigentlich waren es die
Zeichen an deiner Tür, die meine Aufmerksamkeit erregt haben.
Die kleinen Symbole für Früchte,
Getreide...«
    »Ah, die hat
auch Gallius gemacht. Kurz bevor mein Sohn ihn freigelassen hat. Er
war ein talentierter Sklave, selbst wenn er faul war. Und er hat
praktisch nie etwas gestohlen.«
    »Ein Zeichen ist
mir besonders aufgefallen. Es ist anders als die übrigen. Ganz
unten auf der Tür - der Handabdruck.«
    Sein Gesicht wurde
hart. »Den hat Gallius nicht gemalt.«
    »Das hab ich
auch nicht angenommen. Es sieht fast aus wie
Blut.«
    »Das ist es
auch.«
    »Alter, du
redest zuviel«, knurrte die Frau und hieb ihr Messer auf den
Tresen. »Manche Dinge kann man sehen, aber man sollte nicht
darüber reden.«
    »Halt’s
Maul, Alte! Ich hätte es doch schon lange abwaschen lassen,
aber du wolltest ja, daß es dran bleibt, und solange es noch
da ist, ist es auch nicht verwunderlich, daß die Leute es
bemerken.«
    »Wie lange ist
es denn schon da?«
    »Oh, seit
Monaten. Seit

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