Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
Vom Netzwerk:
hab ich
sie danach gefragt, als die beiden das nächste Mal in meinen
Laden kamen. Und weißt du was? Sie wollte kein Wort
darüber verlieren, wurde so stumm wie der Junge. Sie sagte
nur, ich solle sie nie wieder danach fragen und niemandem irgend
etwas erzählen, das möglicherweise...« Er biß
mit einem schuldbewußten Zucken die Zähne
aufeinander.      
    »Nur noch
eins«, sagte ich, während ich die getrockneten Feigen
nach einigen eßbaren Exemplaren durchwühlte, »mag
der kleine stumme Junge Feigen? Tiro, gib dem Mann eine Münze
aus meiner Börse.«
    Tiro, der meinen
Beutel über seiner Schulter getragen hatte, griff hinein und
zog ein Kupferstück hervor. »Oh, nein, mehr als ein As,
Tiro. Gib dem Mann eine Sesterze und sag ihm, er soll das
Wechselgeld behalten. Schließlich zahlt dein Herr meine
Spesen.«
    Der alte Mann nahm die
Münze entgegen und beäugte sie mißtrauisch. Hinter
ihm konnte ich seine Frau sehen, die mit einem Ausdruck grimmiger
Befriedigung weiter auf den Tresen einhieb.
    »So ein stiller
Sklave mit so guten Manieren. Und du bist völlig sicher,
daß du ihn mir nicht vielleicht doch verkaufen
willst?«
    Ich lächelte nur
und machte Tiro ein Zeichen, mir zu folgen. Bevor ich nach
draußen trat, wandte ich mich noch einmal um. »Wenn
dein Sohn euren einzigen Sklaven unbedingt verkaufen mußte,
warum ist er dann nicht hier, um euch selbst zu
helfen?«
    Sobald die Frage
ausgesprochen war, wußte ich die Antwort. Ich biß mir
auf die Unterlippe und wünschte, die Worte ungesagt machen zu
können.
    Die Frau schleuderte
das Messer quer durch den Raum, wo es zitternd in einer Wand
steckenblieb. Sie warf ihre Arme gen Himmel und stürzte sich
kopfüber auf die Theke. Der alte Mann neigte den Kopf und rang
seine Hände. Im düsteren Licht des verfallenen Ladens
boten die beiden ein unheimliches Bild, eingefroren in einem
plötzlichen Ausbruch von Trauer, der beinahe erschütternd
und gleichzeitig fast komisch war.
    »Die
Kriege«, murmelte der Alte leise. »In den Kriegen
gefallen ...«
    Ich drehte mich um,
legte meinen Arm um Tiro, der wie vom Donner gerührt dastand.
Gemeinsam schlichen wir uns hinaus auf die sonnenbeschienene
Straße.

10
    Das Mietshaus
gegenüber war von vergleichsweise neuer Bauart. Die
fensterlose Fassade zur Straße war bisher nur mit einer
bescheidenen Anzahl von Wahlslogans beschmiert worden (da Wahlen
während der Diktatur Sullas zwar weiter stattfanden, jedoch
ohne große Begeisterung). Häufiger waren es
erlesen-zotige Kritzeleien, die, ihrem Inhalt nach zu urteilen,
wahrscheinlich von zufriedenen Kunden aus dem Haus der Schwäne
auf dem Heimweg hinterlassen worden waren. Ich sah, wie der junge
Tiro seinen Kopf verrenkte, um einen der obszöneren
Sprüche zu lesen und dann wie ein Schulmeister
mißbilligend zu schnalzen. Mit einem Auge überflog auch
ich die Litaneien, neugierig, ob ein bestimmter Name auftauchen
würde; aber jene Elena, die Sextus Roscius herbeizitiert
hatte, oder besondere Talente, über die sie
möglicherweise verfügte, waren nicht
erwähnt.
    Ein kurzer
Treppenabsatz führte zur Tür des Hauses, die in der
morgendlichen Hitze offenstand. Von einem kleinen, kargen Vorraum
gingen zwei Gänge nach links ab. Einer führte ins
Treppenhaus. Der andere war ein dunkler Flur, der bis zum anderen
Ende des Gebäudes führte und von zahlreichen Kammern
gesäumt wurde, die von zerlumpten, nicht zueinander passenden
Vorhängen verdeckt waren.
    Am Ende des Gangs
erhob sich ein großer, hagerer Mann von seinem Platz am Boden
und kam auf uns zugetrottet, wobei er verstohlen links und rechts
blickte und sein Kinn kratzte. Er war ein Wächter, wie es in
jedem Mietshaus mindestens einen gibt, in größeren
Gebäuden manchmal auch einen pro Etage - ein ansonsten
arbeitsloser Mieter, der von seinen Hausgenossen oder dem Vermieter
einen kleinen Obolus kassiert, um die Besitztümer der Mieter
zu bewachen, die den Tag über außer Haus sind, und
außerdem ein Auge auf Fremde und Besucher zu haben. Manchmal
wird auch ein Sklave für diesen Dienst angestellt, aber dieses
Haus sah kaum aus wie eines, in dem Sklavenbesitzer wohnten,
außerdem erkannte ich auf den ersten Blick, daß er den
eisernen Ring eines freien Römers trug.
    »Bürger«, sagte
er und blieb abrupt vor uns stehen. Er war sehr groß und
mager mit angegrautem Bart und wirrem Blick.
    »Bürger«, sagte
ich ebenfalls. »Ich suche eine Frau.«
    Er lächelte
dümmlich. »Wer tut das nicht?«
    »Eine

Weitere Kostenlose Bücher