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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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einige Kunden
mußten sogar stehen. Ich gesellte mich zu ihnen, hielt mich
jedoch unauffällig im Hintergrund. Es dauerte nicht lange, bis
Tiro rasch den Flur hinuntergelaufen kam, wobei er mit unbeholfenen
Bewegungen seine Tunika an den Schultern zurechtzupfte. Sein
Gesicht war feucht von Schweiß und sein Haar zerzaust. Er
hatte sich nicht einmal die Zeit gelassen, seine Kleider zu
richten, bevor er aus dem Zimmer gestürzt war.
    »Fertig?«
fragte ich.
    Ich erwartete ein
Grinsen, aber er sah mich kaum an, bevor er in die kleine Menge
eintauchte und unbarmherzig zur Tür drängte. Ich folgte
ihm, nachdem ich einen Blick über die Schulter auf die neueste
Auswahl von Mädchen geworfen hatte. Unter ihnen war auch die
junge Talia. Ihr Besitzer hatte ihr das Gewand von der Schulter
gezogen und tätschelte sanft ihre Brüste. »Sie
errötet noch, siehst du?« hörte ich ihn sagen.
»Wie ihr die Farbe in die Wangen schießt. Sie
errötet auch noch an anderen Stellen, die zu erwähnen zu
delikat wäre...«
    Auf der Straße
ging Tiro so schnell, daß ich rennen mußte, um ihn
einzuholen. »Ich hätte es nicht tun dürfen«,
sagte er kopfschüttelnd und stur nach vorne
starrend.
    Ich legte meine Hand
auf seine Schulter. Obwohl er zunächst wegzuckte, verlangsamte
er doch seinen Schritt wie ein gehorsames Pferd. »Fandest du
sie nicht begehrenswert,
Tiro?«      
    »Natürlich
fand ich das. Sie ist...« Er suchte nach einem Wort und
zuckte, als er kein angemessenes fand, mit den
Schultern.
    »Hat es dir
keinen Spaß gemacht?«
    »Doch,
natürlich.«
    »Dann
hättest du dich wenigstens bedanken
können.«
    »Aber ich
hätte es nicht tun dürfen«, murrte er. »Es
war schließlich Ciceros Geld, nicht deins. Du wirst ihm die
Kosten berechnen, was glaubst du, würde er sagen, wenn er
davon wüßte? Daß du sein Geld benutzt, eine Frau
für mich zu kaufen...«
    »Er muß es
ja nicht erfahren. Außerdem hatte ich sowieso schon für
die Hure bezahlt; es war eine legitime Ausgabe, das mußt du
zugeben. Es war nur vernünftig, daß einer von uns auch
Gebrauch von ihr gemacht hat.«
    »Ja, wenn du es
so sehen willst. Trotzdem...« Er sah mich direkt an, nur
einen Augenblick lang, aber lange genug, um in ihn hineinzusehen.
Nicht wegen des Vertrauensbruchs gegenüber Cicero fühlte
er sich schuldig, sondern wegen des Betrugs an jemand
anderem.
    Da wurde mir zum
ersten Mal klar, wie stark Tiro für die Tochter von Sextus
Roscius entflammt war.

13
    Erneut kamen wir an
dem Mietshaus der Witwe Polia vorbei, an dem Blutfleck und dem
Laden des Alten und seiner Frau. Tiro war in der Stimmung, schnell
zu gehen; ich hielt zunächst Schritt und beschleunigte unser
Tempo dann noch. Für einen Tag hatte ich genug von Fremden und
ihren Tragödien. Ich wollte endlich wieder zu Hause
sein.
    Wir betraten den
Platz. Die Läden hatten wieder aufgemacht; die
Straßenhändler waren zurückgekehrt. Die Sonne stand
immer noch über den Dächern und fiel auf die
öffentliche Sonnenuhr. Bis zur Dämmerung blieb noch eine
Stunde.
    Um die Zisterne
spielten Kinder; Hausfrauen und Sklaven standen Schlange, um Wasser
für das Abendessen zu holen. Der Platz hallte von Lärm
und Getriebe wider, doch irgend etwas fehlte. Erst allmählich
wurde mir klar, daß die Hälfte der Menschen ihr Gesicht
in dieselbe Richtung gewandt hatten. Einige von ihnen zeigten auf
etwas.
    Rom ist eine Stadt der
Brände und des Rauchs. Die Leute leben vom Brot, Brot wird in
Öfen gebacken, und Öfen stoßen Rauchwolken aus.
Aber der Rauch eines brennenden Mietshauses sieht völlig
anders aus. Er ist dick und schwarz; an klaren Tagen steigt er in
fetten Säulen auf. Ascheströme treiben und wirbeln am
Himmel, um ins Herz des Feuers eingesogen und um so höher
hinaufgeschleudert zu werden.
    Das Feuer lag direkt
auf unserem Weg, irgendwo zwischen unserem jetzigen Standpunkt und
dem Kapitolinischen Hügel. Als Tiro es erblickte, schien er
auf einmal von allen Sorgen befreit. Sein Gesicht wurde vom
glatten, gesunden Glanz der Erregung überzogen, und er
beschleunigte seinen Schritt. Es ist der natürliche Impuls des
Menschen, Feuer zu fliehen, aber das Stadtleben zerstört die
tierischen Instinkte; auf unserem Weg zum Brandherd kam uns keine
einzige Person entgegen, sondern wir wurden statt dessen in einen
ständig anschwellenden Sog von Fußgängern und
Pferdewagen aus allen Richtungen hineingezogen, in dem die Leute
von überall herbeigeeilt kamen, um die Katastrophe auf

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