Das Lächeln des Cicero
die übelste Geschichte, die man sich
über Crassus erzählt.« Tiros Gesicht wurde fahl,
entweder wegen meines kritisch musternden Blicks oder wegen der
Hitze des Feuers.
»Was soll das
heißen?«
»Nun ja, nur
daß er sein Vermögen durch die Proskriptionen gemacht
hat. Als Sulla seine Feinde enthaupten ließ, wurde ihr Besitz
vom Staat beschlagnahmt. Ganze Güter wurden zur Versteigerung
freigegeben. Sullas Freunde konnten sie zu skandalös niedrigen
Preisen kaufen. Und sonst wagte keiner
mitzubieten.«
»Das weiß
doch jeder, Tiro.«
»Aber Crassus
ist eines Tages zu weit gegangen. Selbst für
Sulla.«
»Inwiefern?« Tiro
senkte die Stimme, obwohl uns vermutlich niemand bei dem Knattern
der Flammen und dem plötzlichen Lärm von Crassus’
Mietlingen hätte hören können. »Eines Tages
habe ich mitbekommen, was Rufus meinem Herrn erzählt hat. Wie
du weißt, ist Rufus Sullas Schwager, seit der mit Valeria
verheiratet ist; er hört alle möglichen Sachen, die sonst
Sullas Haus nie verlassen würden.«
»Ja, und
weiter?«
»Man
erzählt sich, daß Crassus den Namen eines Unschuldigen
auf die Listen setzen ließ, damit er die Grundstücke des
Mannes in die Finger kriegen konnte. Es handelte sich um einen
alten Patrizier, der niemanden mehr hatte, der seine Interessen
wahrnahm; seine Söhne waren in den Kriegen gefallen - im Kampf
für Sulla! Der arme Mann wurde von Schlägern aufgegriffen
und noch am selben Tag geköpft. Ein paar Tage später
wurden seine Güter versteigert, und Crassus sorgte dafür,
daß sonst niemand mitbieten durfte. Die Proskriptionen waren
ursprünglich nur für politische Feinde gedacht, und das
war schon schlimm genug, aber Crassus hat sie benutzt, um seine
persönliche Gier zu befriedigen. Sulla raste vor Wut oder hat
zumindest so getan. Und er hat Crassus seither nicht mehr für
ein öffentliches Amt kandidieren lassen, weil er Angst hat,
daß der Skandal publik wird.«
Ich suchte die
geschäftige Menge nach Crassus ab. Er stand inmitten der
pulsierenden Masse von Sklaven und Gladiatoren und starrte, ohne
das Durcheinander um ihn herum zu beachten, wie ein stolzer Vater
auf seine Neuerwerbung. Ich drehte mich um und folgte seinem Blick.
Gemeinsam beobachteten wir, wie die Grundmauer des brennenden
Mietshauses mit einem sprühenden Funkenregen in sich
zusammenstürzte. Das Feuer war unter Kontrolle. Das kleinere
Gebäude war gerettet.
Wieder blickte ich zu
Crassus. Seine Miene war von einer fast inbrünstigen Freude
gerötet - die Ekstase über einen günstigen Handel
stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Im rötlichen
Schein des lodernden Feuers sahen seine Züge glatter und
jünger aus, als es seinem Alter entsprach, siegestrunken und
mit Augen, die vor unstillbarer Gier leuchteten. Ich starrte in das
Antlitz von Marcus Licinius Crassus und sah die Zukunft
Roms.
14
Cicero war noch immer
unpäßlich, als ich mit Tiro zu seinem Haus auf dem
Kapitol zurückkehrte. Sein alter Diener teilte uns mit ernster
Miene mit, daß sein Herr gegen Mittag aufgestanden sei und
sogar den Abstieg bis zum Forum bewältigt habe, um
irgendwelchen Geschäften nachzugehen, jedoch von seiner
Darmverstimmung geschwächt und von der Hitze erschöpft
nach kurzer Zeit zurückgekehrt sei. Cicero hatte sich zu Bett
begeben und Anweisung erteilt, daß nicht einmal Tiro ihn
stören solle. Das konnte mir nur recht sein. Mir war
überhaupt nicht danach, die Ereignisse und die Akteure des
Tages vor Ciceros kritischem Auge Revue passieren zu
lassen.
Tiro machte sich
stark, mir Essen und Trinken und sogar ein Bett anzubieten, falls
ich zu erschöpft sei, um nach Hause zu gehen. Ich lehnte ab.
Ich erklärte ihm, daß er mich frühestens
übermorgen Wiedersehen würde. Ich hatte beschlossen, dem
Städtchen Ameria und den Landgütern des Sextus Roscius
einen Besuch abzustatten.
Der Spaziergang den
Hügel hinab und über das Forum verschaffte mir wieder
einen klaren Kopf. Es war Abendessenszeit, und von jeder Ecke wehte
der laue Wind mir den Duft diverser Gerichte um die Nase. Auf dem
Forum ging ein weiterer, langer geschäftiger Tag zu Ende. Die
tiefstehende Sonne warf lange Schatten auf die offenen Plätze.
Hier und dort ging das Geschäft noch ein wenig weiter.
Bankiers standen in kleinen Gruppen am Fuße der Tempelstufen
und tauschten den letzten Tagesklatsch aus; Freunde riefen sich
kurzfristige Einladungen zum Abendessen zu; ein paar vereinzelte
Bettler saßen in windgeschützten Ecken und zählten
ihre
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