Das Lächeln des Cicero
Dunkelheit schien sich in jeder
Ecke zu sammeln, aufzusteigen und den Raum zu erfüllen. Unter
dem Licht des Mondes und der Sterne war der Garten aschgrau
geworden. Die Dämmerung war vorüber. Die Nacht hatte sich
gesenkt.
Ich machte ein paar
Schritte von der Wand weg und versuchte zu überlegen, wo ich
eine Lampe und Zünder finden konnte. Bethesda hatte sich stets
um alle Feuer im Haus gekümmert. Der Gedanke an sie riß
ein schwarzes Loch der Angst in meinen Magen. Im selben Moment
stolperte ich über irgend etwas, das auf dem Boden
lag.
Es war klein, weich
und rührte sich nicht. Ich machte einen Schritt zurück
und rutschte in einer Blutlache aus. Die Gestalt zu meinen
Füßen war fast völlig ins Dunkel getaucht und bis
zur Unkenntlichkeit verstümmelt, aber ich wußte sofort,
was es war oder gewesen war.
In der Tür
erschien ein flackerndes Licht. Ich wich zurück und verfluchte
mich dafür, daß ich keine Waffe bei mir hatte. Dann fiel
mir das Messer ein, das mir der stumme Junge gegeben hatte und das
noch immer in den Falten meiner Tunika steckte. Ich griff danach,
tastete blindlings umher, bis meine Hand auf den Knauf stieß.
Ich zog das Messer und ging mit schnellen, festen Schritten zur
Tür, wo ich auf das aus dem Dunkel auftauchende Licht der
Lampe stieß, es mit einer raschen Bewegung umkreiste und dem,
der sie trug, von hinten meinen Arm um den Hals schlang.
Sie kreischte auf und
biß mich in den Unterarm. Ich versuchte, mich
loszureißen, aber ihre Zähne waren tief in mein Fleisch
gegraben. »Bethesda«, flehte ich, »laß mich
los!«
Sie öffnete den
Mund und fuhr herum, den Rücken zur Wand. Sie wischte sich das
Blut von den Lippen. Irgendwie war es ihr gelungen, die Lampe
aufrecht und am Brennen zu halten, ohne einen Tropfen Öl zu
vergießen.
»Warum hast du
das getan?« schrie sie. Sie hämmerte mit der Faust gegen
die Wand in ihrem Rücken. Aus ihrem Blick sprach eine Art
Wahnsinn. Im Licht der Lampe sah ich die Wunden in ihrem Gesicht
und an ihrem Hals. Der Kragen ihres Kleids war völlig
zerfetzt.
»Bethesda, bist
du verletzt? Blutest du?«
Sie schloß die
Augen und atmete tief ein. »Nur ein bißchen.« Sie
hielt die Lampe hoch, blickte in den Raum und verzog das Gesicht zu
einer so entsetzten Grimasse, daß ich glaubte, eine neue
Gefahr sei in das Haus eingedrungen. Doch als ich ihrem Blick zum
Boden folgte, sah ich nur die zerschmetterte und blutgetränkte
Leiche ihrer geliebten Bast.
*
Ich versuchte, sie
festzuhalten, aber Bethesda ließ sich nicht halten. Zitternd
riß sie sich los und eilte von Raum zu Raum, um mit ihrer
Lampe jede Kerze und Lampe im Haus anzuzünden. Als es
überall hell war und sie sich vergewissert hatte, daß
niemand mehr in dunklen Ecken lauerte, verriegelte sie die Tür
und ging erneut durchs ganze Haus, um alle Fenster zu
schließen.
Ich sah ihr schweigend
zu. Im flackernden Licht sah ich die Zerstörung, die im Haus
angerichtet worden war: umgestürzte Möbel, von der Wand
gerissene Vorhänge, zertrümmerte Gegenstände. Ich
senkte den Blick, vom Chaos betäubt, und ertappte mich dabei,
der Blutspur von der verstümmelten Leiche Basts über den
Boden bis zu der Schrift an der Wand zu folgen. Die Buchstaben
waren unterschiedlich groß, viele waren unförmig oder
spiegelverkehrt, aber die Rechtschreibung war korrekt,
möglicherweise ein totaler Analphabet, der die Zeichen von
einer Vorlage abgeschrieben hatte. Es tat mir in den Augen weh, sie
zu lesen:
Schweig oder
stirb
Lass der römischen Justiz
IHREN GERECHTEN LAUF
Bethesda ging an mir
vorbei, wobei sie einen großen Bogen um die tote Katze machte
und ihren Blick von der Wand abgewandt hielt. »Du mußt
recht hungrig sein«, sagte sie. Ihre Stimme war seltsam
sachlich und ruhig.
»Sehr
hungrig«, gab ich zu. Ich folgte ihr in die Küche im
hinteren Teil des Hauses.
Sie nahm den Deckel
von einem Topf, nahm einen ganzen Fisch und warf ihn auf den Tisch,
wo er einen strengen Geruch in der warmen, stehenden Luft
verströmte. Daneben lagen eine Handvoll frische Kräuter,
eine Zwiebel und einige Weinblätter. »Siehst du«,
sagte Bethesda, »ich war gerade vom Markt
zurückgekommen.«
»Wann sind sie
gekommen? Wie viele waren es?«
»Zwei
Männer.« Sie griff nach einem Messer, ließ es auf
den Fisch niedersausen und trennte seinen Kopf mit einem einzigen
sauberen Schlag ab. »Sie waren zweimal hier. Das erste Mal am
späteren Vormittag. Ich habe getan, was du mir immer
aufträgst, die Tür
Weitere Kostenlose Bücher