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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Tageseinnahmen.
    Vielleicht ist Rom zu
dieser Stunde am angenehmsten. Das wahnwitzige Getriebe des Tages
ist vorüber, die Mattigkeit eines warmen Abends steht bevor.
Zur Dämmerung bewegt Rom errungene Siege und bevorstehende
Annehmlichkeiten in seinem Herzen. Egal, ob sich die Siege als
trivial und flüchtig, die Annehmlichkeiten als unbefriedigend
erweisen, zu dieser Stunde ist Rom im Frieden mit sich selbst. Sind
die Denkmäler von Göttern und Helden der glorreichen
römischen Vergangenheit von Verfall und Vernachlässigung
gezeichnet? In diesem Licht erscheinen sie wie frisch
gemeißelt, die bröckelnden Kanten geglättet, die
Risse vom sanften Zwielicht gekittet. Ist die Zukunft ungewiß
und unvorhersehbar, ein fiebriger Sprung in das Dunkel?
Gewiß, die Dunkelheit lauert schon, doch noch ist sie nicht
herabgesunken, und Rom kann sich immer noch einbilden, daß
die Nacht der Stadt nur süße Träume bringen wird
und die Alpträume für ihre Untertanen
bereithält.
    Ich verließ das
Forum und folgte gewöhnlicheren Straßen. Ich ertappte
mich bei dem Wunsch, die Sonne könne am Horizont
stehenbleiben, wie ein Feuerball, der auf einer Fensterbank liegt,
und die Dämmerung könne immerfort verweilen. Zu welch
geheimnisvoller Stadt sich Rom dann verwandeln würde, auf ewig
in blaue Schatten getaucht, die unkrautbewachsenen Gänge und
Gassen kühl und wohlriechend wie moosige Ufer, die
großen Straßen mit dunklen schattigen Narben kleinerer
Nebenstraßen gesäumt, in denen die Römer sich
finden und fortpflanzen.
    Ich kam zu dem langen,
gewundenen und kahlen Durchgang, durch den ich Tiro am Vortag
geführt hatte, die enge Gasse. Mein Gefühl von Frieden
und heiterer Erwartung verließ mich. Die enge Gasse bei
Sonnenaufgang zu passieren ist eine Sache, in der Dunkelheit jedoch
ist sie ein völlig anderer Ort. Nach wenigen Schritten war ich
bereits von verfrühter Finsternis umfangen, mit schwarzen
Mauern zu beiden Seiten, ein vages Grau vor und hinter und ein
dünnes Band dämmrig blauen Flimmels über
mir.
    An einem solchen Ort
bildet man sich leicht nicht nur alle möglichen Geräusche
und Gestalten ein, sondern auch einen ganzen Katalog anderer
Phänomene, die von namenlosen und feineren Sinnen als Augen
und Ohren wahrgenommen werden. Wenn ich nun also glaubte, Schritte
in meinem Rücken zu hören, war das nicht das erste Mal,
daß mir das in der engen Gasse passierte. Wenn es mir so
vorkam, daß die Schritte jedesmal verharrten, wenn ich
stehenblieb, um zu lauschen, und ihren Gang wieder aufnahmen, wenn
auch ich mich entschloß, weiterzueilen, so war das keine neue
Erfahrung. Aber an jenem Abend verspürte ich auf einmal eine
ungewohnte Sorge, fast eine Panik. Ich ging, ohne es recht zu
merken, schneller und schneller und sah mich häufig über
die Schulter um, um mich zu vergewissern, daß das Nichts, das
ich vor wenigen Augenblicken gesehen hatte, noch immer dasselbe
Nichts war, das mich zäh verfolgte. Als ich zu guter Letzt aus
der engen Gasse auf die breitere Straße trat, kamen mir die
letzten Spuren der Dämmerung hell und einladend vor wie die
Mittagssonne.
    Ich mußte noch
eine Sache erledigen, bevor ich mich auf meinen Weg den Esquilin
hinauf begab. In der Via Subura gibt es nicht weit von dem Pfad,
der zu meinem Haus führt, Stallungen, in denen in der Stadt zu
Besuch weilende Bauern einen Stand und Stroh für ihre Klepper
finden und Reiter ihre Pferde wechseln. Der Besitzer ist ein alter
Bekannter. Ich erklärte ihm, daß ich am nächsten
Tag ein Reittier für einen kurzen Ausflug nach Ameria und
zurück brauchte.
    »Nach
Ameria?« Er hockte auf einer Bank und prüfte im Licht
einer frisch entzündeten Lampe seinen Tagesumsatz. »Da
mußt du mindestens mit acht Stunden
rechnen.«
    »Mehr Zeit darf
ich nicht brauchen. Wenn ich erst einmal dort bin, muß ich
den restlichen Tag nutzen, um meine Geschäfte zu erledigen,
und dann ganz früh am nächsten Morgen wieder zurück
nach Rom aufbrechen. Es sei denn, ich muß schon vorher eine
überstürzte Flucht
antreten.«      
    Der Stallmeister sah
mich mißtrauisch an. Er ist sich bis heute nicht sicher,
womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene, vermutet jedoch wegen
der abseitigen Tageszeiten, zu denen ich komme und gehe,
wahrscheinlich, daß es irgend etwas Anrüchiges sein
muß. Trotzdem bin ich immer absolut zuvorkommend bedient
worden.
    »Ich nehme an,
du machst dich allein auf den Weg wie ein verdammter
Idiot?«
    »Ja.«
    Er räusperte sich
und

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