Das Lächeln des Cicero
spuckte auf den mit Stroh bedeckten Boden. »Dann brauchst
du ein schnelles, kräftiges Pferd.«
»Dein
schnellstes und kräftigstes«, stimmte ich ihm zu.
»Vespa.«
»Und wenn Vespa
nicht zur Verfügung steht?«
»Ich kann ihren
Schwanz von hier aus über ihr Gatter hängen
sehen.«
»Ach,
tatsächlich. Eines Tages kommst du wahrscheinlich mit der
Geschichte von ihrem traurigen Ende zu mir zurück und wie du
alles in deinen Kräften Stehende getan hast, sie vor
Schlimmerem zu bewahren. Eine >überstürzte Flucht<,
was du nicht sagst. Wovor? Aber das wirst du mir natürlich
nicht sagen. Sie ist meine beste Stute. Ich sollte sie nicht an
einen Mann ausleihen, der sie überstrapazieren und
außerdem noch in Gefahr bringen wird.«
»Es ist viel
wahrscheinlicher, daß Vespa eines Tages von einem Ausritt mit
mir unversehrt, aber ohne Reiter zu dir zurückkehrt,
worüber du allerdings kaum eine Träne vergießen
dürftest. Ich werde morgen früh vor Anbruch der
Dämmerung hier sein. Halte das Pferd für mich
bereit.«
»Zum
üblichen Preis?«
»Nein«,
sagte ich und sah, wie sein Kinn herunterfiel. »Der
übliche Preis - plus einen besonderen Zuschlag.« Im
blauen Zwielicht und dem blassen Schein der Lampe konnte ich in
seinem Gesicht die Falten eines widerwilligen Lächelns
ausmachen. Ich würde Cicero das Zusatzhonorar in Rechnung
stellen.
Auf den Kuppen der
sieben Hügel Roms hält sich der Tag am längsten. Die
Sonne war endgültig untergegangen, aber der Hügel des
Esquilin erstrahlte noch immer in hellerem Licht, als die schmale,
in tiefem Schatten liegende Ader, die zu seinen Füßen
pulsierte. Als ich den holprigen Pfad zu meinem Haus hinaufeilte,
betrat ich einen Raum verbliebenen, blaßbläulichen
Zwielichts. Über dem Hügel leuchteten bereits schwach die
ersten Sterne an einem Himmel von tiefstem Blau.
Meine Nase witterte es
zuerst. Der Geruch von lange in der Sonne gebackenen Exkrementen
schlug mir über die Pflastersteine entgegen. Irgendwann im
Laufe des Tages hatte meine Nachbarin vom Lande ihre Gabe über
die Mauer auf den Pfad zu meinem Haus geworfen, und mein anderer
Nachbar hatte sie noch nicht eingesammelt. Aus alter Gewohnheit
hielt ich die Luft an, raffte meine Toga und trat ein wenig zur
Seite, als ich mich der dunklen Masse näherte, die wie eine
brütende Kröte im Weg hockte. Zufällig warf ich
einen Blick nach unten und erinnerte mich lächelnd daran, wie
ich Tiro davor bewahrt hatte, seine Schuhe zu ruinieren.
Ich blieb stehen.
Trotz des verblassenden Lichtes und der weichen Schatten waren die
Fußabdrücke in den Exkrementen von beinahe
übernatürlicher Klarheit. Zumindest zwei Männer
hatten mir in meiner Abwesenheit einen Besuch abgestattet. Und
beide hatten es auf dem Rückweg geschafft, in die
Scheiße zu treten.
Aus keinem
vernünftigen Grund beschleunigte ich meine Schritte. Mein Herz
pochte plötzlich laut in meinen Ohren. Gleichzeitig bildete
ich mir ein, die Stimme einer Frau zu hören, die von irgendwo
weiter unten am Fuße des Hügels meinen Namen
rief.
Meine Haustür
stand weit offen. Von außen hatte jemand am Türrahmen
einen dunklen, leuchtenden Händeabdruck hinterlassen. Ich
mußte ihn nicht berühren; selbst im farblosen Zwielicht
konnte ich noch erkennen, daß es der Abdruck einer blutigen
Hand war.
Im Haus war alles
still. Keine Lampen oder Kerzen brannten; nur das letzte Licht der
Dämmerung im Garten beleuchtete die Szenerie, eine riesige
Raute gespenstischen Blaus, das zwischen den Säulen in die
offenen Räume sickerte. Unter mir erstreckte sich der
Fußboden düster und ungewiß wie die
Oberfläche eines Teiches, aber direkt vor meinen
Füßen konnte ich deutlich Blutflecken erkennen - dicke
Tropfen, einige unberührt, andere verschmiert, als habe jemand
hineingetreten. Die Tropfen bildeten eine Spur, die an der Wand von
Bethesdas Zimmer endeten.
Genau in der Mitte der
Wand war ein riesiger Blutspritzer, pechschwarz auf dem
weißen Verputz, mit winzigen, bis zur Decke
ausfächernden Fäden und einer breiten Schmierspur, die
bis zum Boden führte. Daneben hatte jemand mit Blut eine
Botschaft gekritzelt. Die Buchstaben waren klein,
unregelmäßig und plump. In der Dunkelheit konnte ich sie
nicht entziffern.
»Bethesda?«
flüsterte ich. Das Wort hallte dumm und nutzlos in meinen
Ohren nach. Ich wiederholte es lauter und lauter und war
erschreckt, wie schrill meine Stimme klang. Niemand
antwortete.
Ich rührte mich
nicht. Die Stille war umfassend.
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