Das Lächeln des Cicero
den
Schultern und nahm einen weiteren Schluck Wein zu sich.
»Gaius war hier in der Gegend praktisch ein Fremder, obwohl
sich alle darüber einig waren, daß er wirklich ein
attraktiver junger Mann war. Ich persönlich fand ihn zu
kultiviert, fast blasiert, aber so hat ihn sein Vater vermutlich
erzogen, mit Privatlehrer und vornehmen Abendgesellschaften. Was
kann der Junge dafür?«
»Aber sein Tod -
wurde er allgemein als Unfall hingenommen?«
»Das stand immer
außer Frage.«
»Mal angenommen,
es wäre kein Unfall gewesen. Könnten Capito und Magnus
etwas damit zu tun gehabt haben?«
»Das kommt mir
reichlich weit hergeholt vor. Was hätten sie damit gewonnen,
außer dem Vater ein Leid zuzufügen? Wenn sie jemand
umbringen wollten, warum dann nicht den alten Herrn selbst oder die
ganze Familie? Sicher, Capito ist ein gewalttätiger Mensch. Er
hat mehr als einen Sklaven erstochen oder zu Tode geprügelt,
und man sagt, er hätte in Rom einen völlig Fremden in den
Tiber geworfen, nur weil der Mann auf einer Brücke nicht zur
Seite gehen wollte, und sei ihm dann hinterhergesprungen, um
sicherzugehen, daß er auch wirklich ertrank. Vermutlich
könnten er und Magnus Gaius aus reiner Grausamkeit ermordet
haben, aber das halte ich für
unwahrscheinlich.«
»Ich auch. Es
ist ohnehin nur ein nebensächliches Detail.« Vielleicht
war es der Wein, der mein Blut erwärmte, oder die frische
Brise, die von den Hügeln hinabwehte; ich fühlte mich
plötzlich hellwach und konzentriert. Ich starrte auf das Licht
in Capitos Haus. Es flackerte in der warmen Luft, die in Wellen vom
Boden aufstieg, und starrte wie ein einzelnes böses Auge
zurück. »Und jetzt zum vergangenen September. Sextus
Roscius wird in Rom ermordet. Es gibt Zeugen, die den Anführer
beobachten, einen schwarzgekleideten kräftigen Mann mit einem
lahmen linken Bein.«
»Magnus, ohne
Zweifel!«
»Er scheint sein
Opfer zu kennen. Außerdem ist er Linkshänder und recht
stark.«
»Wieder
Magnus.«
»Der Mörder
wird von zwei anderen Schlägern begleitet. Der eine ist ein
blonder Riese.«
»Mallius
Glaucia.«
»Ja. Der andere
- wer weiß? Der Ladenbesitzer sagt, er hatte einen Bart. Die
Witwe Polia könnte sie alle drei identifizieren, aber man wird
sie nie im Leben zu einer Aussage bewegen können. Jedenfalls
ist es Glaucia, der sehr früh am nächsten Morgen hier
eintrifft, um Capito die Nachricht zu überbringen, mit einem
blutigen Dolch im Gewand.«
»Was? Das ist
ein Detail, das ich bisher noch nicht gehört
habe.«
»Es stammt von
dem Tavernenwirt in Narnia.«
»Ah, der mit dem
blinden Vater. Sie sind beide völlig verdreht. Schwaches
Blut.«
»Vielleicht.
Vielleicht auch nicht. Der Wirt hat mir jedenfalls erzählt,
daß Glaucia die Nachricht direkt zu Capito gebracht hat. Wer
war eigentlich der erste, der Sextus Roscius vom Tod seines Vaters
berichtet hat?« Ich sah ihn an und zog eine Braue
hoch.
Titus nickte.
»Ja, das war ich. Ich hab es frühmorgens am
öffentlichen Brunnen in Ameria gehört. Als ich Sextus
dann nachmittags traf, war ich mir ganz sicher, daß er es
schon wußte. Aber als ich ihm mein Beileid aussprach, war
sein Gesichtsausdruck - nun ja, er war merkwürdig. Man konnte
es nicht direkt Trauer nennen; du mußt wissen, die beiden
empfanden wenig Zuneigung füreinander. Furcht, ja, ich habe
Furcht in seinen Augen gesehen.«
»Und
Überraschung? Entsetzen?«
»Nicht direkt,
eher Verwirrung und Angst.«
» Gut. Am
nächsten Tag trifft dann ein offizieller Bote ein,
hergeschickt vom Haus des alten Herrn in Rom.«
Titus nickte.
»Und noch einen Tag später trafen die sterblichen
Überreste des Toten ein. Die Roscii haben ein Familiengrab auf
einem kleinen Hügel hinter der Villa; an klaren Tagen kann man
die Stelen von hier aus sehen. Am achten Tag hat Sextus seinen
Vater beerdigt und dann eine siebentägige Trauer begonnen. Er
hat sie nie beendet.«
»Warum?«
»Weil in der
Zwischenzeit die Soldaten eintrafen. Sie müssen aus dem Norden
von Volaterrae hergekommen sein, wo Sulla einen Feldzug gegen die
letzten versprengten Anhänger des Marius in Etrurien
führte. Die Soldaten kamen jedenfalls eines Tages hier an und
verkündeten öffentlich auf dem Dorfplatz, daß
Sextus Roscius der Ältere zum Staatsfeind erklärt worden
und sein Tod in Rom eine legale Hinrichtung auf Geheiß
unseres geschätzten Sulla gewesen wäre. Sein gesamtes
Anwesen wurde beschlagnahmt. Alles sollte versteigert werden -
Ländereien, Häuser, Schmuck,
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