Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
Vom Netzwerk:
und Ehrgeiz, beides
möglichst vorteilhaft für sich einzusetzen. Er hat als
Sklave in Sullas Haushalt angefangen, wo er niedrige Gartenarbeit
verrichten mußte. Aber Sulla hat einen Blick für
Schönheit und sieht sie nur ungern mit Knochenarbeit
verschwendet. Chrysogonus wurde zum Liebling des alten Mannes. Das
war vor einigen Jahren, als Sullas erste Frau noch lebte.
Irgendwann hat Sulla seine Lust am Körper des Sklaven gestillt
und ihn dafür mit der Freiheit, Reichtümern und einer
hohen Position in seiner Gefolgschaft
belohnt.«      
    Titus schnaubte
verächtlich. »Ich hab mich schon gefragt, was
dahintersteckt. Uns sagte man nur, daß dieser Chrysogonus ein
mächtiger Mann sei, dem Sulla Gehör schenken würde.
Ich erklärte ihnen, daß wir den Diktator persönlich
treffen wollten, aber alle Sekretäre und Adjutanten
schüttelten den Kopf, als wäre ich ein störrisches
Kind, und meinten, es wäre sehr viel vorteilhafter,
zunächst das Wohlwollen von Chrysogonus zu gewinnen, der Sulla
den Fall dann an unserer Stelle vortragen
würde.«
    »Und hat er das
getan?« Titus sah mich wehleidig an. »Es ist
folgendermaßen gelaufen: Schließlich erhielten wir
unsere Audienz und wurden in einen Raum geführt, wo uns die
Gegenwart seiner Goldenheit zuteil wurde. Er saß da und
starrte an die Decke, als ob ihn jemand mit dem Hammer auf die
Stirn geschlagen hätte. Schließlich ließ er sich
gnädig dazu herab, mit seinen blauen Augen zu blinzeln und uns
einen flüchtigen Blick zu gewähren. Und dann
lächelte er. Ich schwöre dir, so ein Lächeln hast du
noch nie gesehen; als ob Apollo persönlich zur Erde
hinabgestiegen sei. Es hatte etwas Unnahbares, wenngleich nicht
Kaltes. Es wirkte vielmehr so, als ob wir ihm leid täten, als
ob er traurig wäre, wie man sich vorstellt, daß ein Gott
traurig ist, wenn er gewöhnliche Sterbliche
betrachtet.
    Er nickte. Er neigte
seinen Kopf. Er fixierte uns mit seinen blauen Augen, und man hatte
das Gefühl, daß uns ein überlegenes Wesen einen
unendlich großen Gefallen erweisen würde, allein indem
es unsere Existenz zur Kenntnis nahm. Er hörte sich unsere
Petition an, und danach sagte jeder von uns sein Sprüchlein
auf mit Ausnahme von Capito, der steif und stumm wie ein Stein im
Hintergrund stand. Und dann erhob sich Chrysogonus aus seinem
Stuhl, warf die Schultern zurück, strich sich eine goldene
Locke aus der Stirn und legte den Finger auf den Mund, als
würde er angestrengt nachdenken; und es war einem fast
peinlich, ein gewöhnlicher schmutziger Sterblicher zu sein,
der es wagte, den Raum mit diesem perfekten Exemplar der
menschlichen Rasse zu teilen.
    Er erklärte uns,
daß wir edle Römer wären, solche Mühen auf uns
genommen zu haben, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Er
meinte, Begebenheiten wie die, von der wir ihm berichtet
hätten, seien sehr, sehr selten, daß es jedoch eine
Handvoll beklagens- und bedauernswerter Einzelfälle gäbe,
in denen Männer fälschlicherweise geächtet worden
seien. Er würde deshalb unsere Petition bei der nächsten
sich bietenden Gelegenheit dem großen Sulla persönlich
hinterbringen. In der Zwischenzeit sollten wir uns in Geduld
üben; wir würden doch sicherlich verstehen, daß der
Diktator einer Republik tausenderlei Sorgen hätte, die ihn von
allen Seiten bedrängten, von denen sein Bemühen, die
marianische Verschwörung, die in den etruskischen Hügeln
wie ein Geschwür eitere, endgültig auszumerzen, nicht die
geringste sei. Zehn Köpfe wippten auf und nieder wie Korken
auf einer Welle, und meiner war einer von ihnen. Und ich weiß
noch, auch wenn ich mich heute deswegen schäme, daß ich
froh war, daß man uns nicht bis zu Sulla vorgelassen hatte,
denn wenn die Gegenwart seines Stellvertreters schon derartig
einschüchternd war, wie hätten wir uns erst zum Narren
gemacht, wenn wir mit dem großen Mann selbst verhandelt
hätten?
    Aber dann
räusperte ich mich und fand irgendwie den Mut zu sagen,
daß wir, wenn wir schon Sulla nicht persönlich treffen
könnten, zumindest darauf beharrten, eine klare Antwort zu
bekommen, bevor wir nach Ameria zurückkehrten. Chrysogonus
wandte mir seine blauen Augen zu und zog die Brauen nur ein
winziges Stück hoch, so wie man einen Sklaven ansieht, der die
Unverschämtheit besitzt, ein Gespräch zu unterbrechen
wegen irgendeiner Banalität, die er für wichtig
hält. Schließlich nickte er und sagte:
>Selbstverständlich, selbstverständlich< und dann
versicherte er, daß

Weitere Kostenlose Bücher