Das Lächeln des Killers
können, und hat pünktlich jeden Monatsersten die Miete für ihr bescheidenes Ein-Zimmer-Apartment bezahlt. Hat kaum jemals Lokale besucht und hat stattdessen jeden Morgen fünfzehn bis zwanzig Minuten mit einer Nachbarin verbracht, die alt genug ist, um ihre Großmutter zu sein. Andere enge Freunde oder Freundinnen hat sie in der City nicht gehabt. Sie war sehr jung und hatte noch nie Geschlechtsverkehr. Sie hatte sich also offensichtlich für ihren Traummann aufgehoben. Ihren Seelenverwandten, den Mann, von dem sie wissen würde, dass er der Richtige war.«
»Und war naiv genug, um tatsächlich zu glauben, sie hätte ihn gefunden, ehe sie ihn auch nur das erste Mal persönlich getroffen hat.«
»Und nicht nur, dass die beiden Frauen sowohl von ihrem Aussehen als auch von ihrem Wesen her völlig unterschiedlich waren, haben auch die Taten selber einen völlig unterschiedlichen Eindruck auf mich gemacht. Der erste Mord scheint nicht geplant gewesen zu sein, wie die anschließende Panik unseres Mörders deutlich macht. Außerdem wies die Leiche keine Spuren von prämortaler Gewaltanwendung auf, und der Täter hatte sich auf Vaginalverkehr beschränkt.«
Sie nahm eine Diskette aus der Akte und schob sie in den Schlitz ihres Computers. »Im zweiten Fall hingegen wirkte der Mord geplant, es sah wie eine vorsätzliche Hinrichtung des Opfers aus. Es gab Spuren von Gewalt, kleine Bisswunden sowie jede Menge blaue Flecke. Und die Untersuchung hat ergeben, dass der Täter wiederholt brutal sowohl in ihre Vagina als auch in ihren Anus eingedrungen ist. Natürlich wäre theoretisch denkbar, dass ihn der Mord nicht nur erregt und fasziniert, sondern regelrecht ermutigt hat, diese Erfahrung bald zu wiederholen und dabei, um die Erregung noch zu steigern, deutlich aggressiver vorzugehen.«
Nickend trat Roarke neben sie. »Das könnte durchaus sein.«
»Ich brauche die beiden Aufnahmen von der Diskette auf dem Wandbildschirm«, wies Eve ihren Computer an. »Ich habe jeweils die Bilder ausgewählt, auf denen der Killer die Häuser der Opfer betritt. Rechts ist das Bild aus Bankheads Haus. Wir wissen, dass er eine Perücke, Gesichtsspachtel und Make-up verwendet hat. Zu diesem Aussehen hat er sich den Namen Dante zugelegt. Links betritt er unter dem Namen Dorian das Haus von Lutz. Das Gesicht sieht völlig anders aus, Statur und Größe jedoch sind mehr oder weniger identisch. Wobei sich natürlich beides, mit speziellen Schuhen oder wattierten Schultern, problemlos verändern lässt.«
Sie hatte die Bilder bereits ein ums andere Mal studiert, weshalb sie wusste, worauf es zu achten galt.
»Guck, wie Dante Brynas Hand hält, ihre Finger küsst, ihr den Vortritt lässt. Der perfekte Traummann. Dorian hingegen hat Grace den Arm um die Taille gelegt. Sie sieht, als sie auf die Tür zugehen, selig lächelnd zu ihm auf, er aber würdigt sie nicht eines Blickes, sie ist ihm absolut egal. Für ihn ist sie schon tot.«
Dann rief sie zwei andere Bilder auf. »Hier tritt Dante aus Brynas Apartment. Man kann sehen, dass er panisch ist. Er zittert, und er schwitzt. Meine Güte, denkt er, wie konnte das passieren? Wie komme ich hier raus? Hingegen Dorian, als er Graces Wohnung verlässt: Er ist völlig gelassen und blickt sogar noch grinsend über seine Schulter. Er denkt: Das hat wirklich Spaß gemacht. Wann kann ich es wieder tun?«
»Nach deiner ersten Theorie«, bemerkte Roarke, »hätte er Selbstvertrauen, Verlangen und Freude an der Tat entwickelt. Einer zweiten Theorie zufolge könnte er mit jedem Aussehen und jeder Frau eine andere Persönlichkeit verbinden. Aber du hast noch eine dritte Theorie.« Er lenkte seine Augen vom Wandbildschirm auf Eve. »Du denkst, dass es zwei verschiedene Männer sind.«
»Vielleicht ist das zu simpel. Vielleicht soll ich das ja gerade denken.« Sie setzte sich in ihren Schreibtischsessel und starrte abermals die beiden Bilder an. »Ich habe berechnen lassen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass es zwei verschiedene Täter sind. Sie beträgt gerade mal dreiundvierzig Prozent.«
»Computer haben keine Instinkte.« Er nahm auf der Kante ihres Schreibtischs Platz. »Sag mir, wie du selber darauf gekommen bist.«
»Die Körpersprache, der Stil, der gesamte Typ ist in beiden Fällen grundverschieden. Möglicherweise spielt er auch irgendwelche Rollen. Eventuell hat er ein ausgeprägtes schauspielerisches Talent. In beiden Fällen trifft er die Frauen in teuren, romantischen Etablissements und
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