Das Lächeln des Killers
Fantasiegebilde wie ich selbst. Sie muss echt und sie muss würdig sein. Schließlich will ich meine Zeit nicht mit jemand oder etwas Geringerem vergeuden, als mir zusteht.«
Roarke lehnte sich fasziniert auf seinem Stuhl zurück. »Wie geht er vor?«
»Er wählt sein Opfer aus. Er spricht es an. Er verführt mit Worten und mit Bildern. Dann bereitet er den Abend vor. Kauft den Wein. Einen Wein, der zu seinem Geschmack und seiner Stimmung passt. Zu seinem Geschmack und seiner Stimmung allein. Kerzen, deren Duft seine Sinne erfreuen soll. Die Drogen, damit er alles unter Kontrolle behält und nicht zurückgewiesen wird. Aber das genügt ihm nicht. Er will begehrt werden. Verzweifelt begehrt.«
»Geht es dabei um Sex?«
Sie schüttelte den Kopf. »Verlangen. Das ist etwas anderes. Er will, dass die Frau, die er gewählt hat, Verlangen nach ihm hat. Das ist genauso wichtig wie, dass er die Kontrolle über sie behält. Sie muss ihn dringend wollen. Er macht sich zu viel Mühe, um sich in einen Traummann zu verwandeln, als dass es ihm nur um Macht und Kontrolle bei der Sache geht. Er hat das Bedürfnis, im Mittelpunkt zu stehen, denn dies ist sein großer Moment. Sein Spiel. Sein Sieg.«
»Sein Vergnügen«, fügte Roarke hinzu.
»Ja, auch sein Vergnügen. Aber er braucht es, dass sie denkt, dass es gleichzeitig ihr Vergnügen ist. Er steht vor dem Spiegel und verwandelt sich in den Mann, der er gerne wäre, und von dem er denkt, dass eine Frau ihn will. Elegant, sexy, betörend attraktiv. Ein Mann, der Gedichte rezitiert und mit Rosen wirbt. Ein Mann, der die Frau glauben macht, sie wäre die Einzige für ihn. Eventuell glaubt er das sogar selbst. Oder hat es zumindest beim ersten Mal geglaubt. Er hat sich tatsächlich eingeredet, es ginge um Romantik. Aber zugleich geht er total berechnend vor. Er ist ein Raubtier.«
»Das sind wir Männer nun einmal.«
Sie wandte sich ihm zu. »Das stimmt. Das sind wahrscheinlich alle Menschen, aber in sexueller Hinsicht sind Männer häufig primitiver als Frauen. Im Allgemeinen gilt Sex als etwas, das bei Frauen mit Gefühlen in Verbindung steht. Für diese Frauen ist es so gewesen, und das war ihm bewusst. Er hat sich die Zeit genommen, sie vorher kennen zu lernen, ihre Schwächen und ihre Fantasien zu ergründen, um anschließend mit beidem spielen und sie dadurch kontrollieren zu können. Wie Droidinnen, nur waren sie aus Fleisch und Blut. Sie waren echt, und deshalb war auch die Erregung echt. Als es vorbei war, waren sie beschmutzt. Er hatte sie zu Huren gemacht, und deshalb waren sie nicht länger würdig, seine Gefährtinnen zu sein. Also muss er die Nächste finden, die noch unbesudelt ist.«
»Du hast dich geirrt, als du gesagt hast, du könntest dich nicht in ihn hineinversetzen. Ich frage mich, wie du so sehr du selbst sein und gleichzeitig so klar und kaltblütig mit den Augen irrer oder von Grund auf schlechter Menschen die Welt betrachten kannst.«
»Weil ich nicht verlieren kann. Wenn ich nämlich verliere, werden sie gewinnen. Jeder einzelne von diesen Mistkerlen bis zurück zu meinem Vater würde dann gewinnen.«
»Ich weiß.« Er stand auf und schlang ihr fest die Arme um den Leib. »Nur war ich mir nie ganz sicher, ob auch du das weißt.«
BENUTZERKONTO LA BELLE DAME WIRD AKTIVIERT...
Eve machte sich hastig los und wirbelte herum. »Ich brauche den Screen-Namen und die Location, von der aus der Benutzer ins Netz gegangen ist.«
SCREEN-NAME OBERON-NYC, CYBER PERKS, 58, FIFTH AVENUE...
Bis sie die Tür erreichte, hielt Roarke sie ihr schon auf. »Ich fahre«, meinte er, und weil jeder seiner Wagen schneller als ihr eigener war, widersprach ihm seine Gattin ausnahmsweise einmal nicht.
Während sie die Treppe hinunterrannte, riss sie ihr Handy aus der Tasche – »Zentrale, hier spricht Lieutenant Eve Dallas« –, gab ein paar kurze Befehle, schnappte sich ihre Jacke und stürzte aus der Tür.
Sechs Minuten und achtundzwanzig Sekunden nach der Meldung des Computers hatten sie das Cyber Perks erreicht, und Eve sprang, noch bevor der Wagen richtig stand, auf den Bürgersteig.
Während sie zum Eingang hetzte, rief sie den Beamten, die sie hierher beordert hatte, zu: »Niemand verlässt den Laden«, und steckte ihren Dienstausweis sichtbar in den Bund ihrer Jeans.
Als sie durch die Tür des riesigen Ladens trat, hatte sie den Eindruck zu ertauben. Lauter Cyber-Punk schlug ihr wie eine Flutwelle entgegen, übertönte das Stimmengewirr der
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