Das Lächeln des Killers
Gäste und krachte schmerzhaft gegen ihr Trommelfell.
Dies war eine ihr völlig unbekannte Welt. Ein wilder Haufen unterschiedlichster Gestalten hockte an Tresen, Tischen, in abgetrennten Nischen oder fuhr auf Skateboards zwischen den verschiedenen Computerstationen herum. Doch bei allem Durcheinander nahm sie eine gewisse Ordnung wahr.
Punks mit bunt gefärbten Haaren und gepiercten Zungen waren in einem mit farblich kodierten Tischen bestückten Bereich des Internet-Cafés verteilt. Computerfreaks mit ernsten Mienen und schlabberigen Hemden kauerten einsam in den Nischen, kichernde junge Mädchen kurvten in großen Gruppen auf ihren Airskates durch die Gegend und taten, als würden sie die Horden heranwachsender Jungen nicht bemerken, warfen ihnen jedoch gleichzeitig verführerisch-herausfordernde Seitenblicke zu.
Die meisten der anwesenden Studenten saßen lässig an den Tischen des Cafés und gaben sich die größte Mühe, weltgewandt und abgeklärt zu wirken, wenn sie nicht gerade an den Lippen eines alten Kämpen aus der Zeit der Innerstädtischen Revolten hingen, der in seinen standardisierten schwarzen Kleidern fester Bestandteil jeder linken Clique war.
Außerdem sah sie ein paar Touristen, für die der Besuch eines solchen Etablissements eine umwerfend neue Erfahrung war, und eine Gruppe junger Leute, die anscheinend lediglich auf der Suche nach einem neuen Treffpunkt war.
In welche dieser Gruppen passte wohl ihr Mann?
Während sie sich weiter umsah, marschierte sie entschlossen zu dem gläsernen Kasten mit der Aufschrift ›Information‹. Drei Angestellte in leuchtend roten Uniformen saßen in der Mitte dieses Kastens hinter schmalen Konsolen und führten über Headphones ein angeregtes Gespräch.
Eve klopfte gegen das Glas. Der pickelige Jüngling, der ihr am nächsten saß, schüttelte jedoch den Kopf, setzte eine strenge Miene auf und zeigte auf den Kopfhörer, der außen an der Scheibe hing.
Sie zerrte sich das Ding über den Kopf.
»Fassen Sie die Scheibe ja nicht an«, befahl er ihr in einem Ton, demzufolge ihm der Stimmbruch unmittelbar bevorzustehen schien. »Bleiben Sie die ganze Zeit hinter der grünen Linie. Wir haben momentan noch ein paar freistehende Geräte und eine Nische frei. Falls Sie einen Computer reservieren möchten...«
»Mach erst mal die Musik aus.«
»Was?« Seine Augen flitzten wie zwei aufgeregte kleine Vögel hin und her. »Bleiben Sie hinter der grünen Linie oder ich rufe den Sicherheitsdienst.«
»Mach die Musik aus«, wiederholte Eve und klatschte ihren Dienstausweis gegen das Glas. »Und zwar auf der Stelle.«
»Aber – aber das kann ich nicht. Dazu bin ich nicht befugt. Was ist überhaupt los? Charlie?« Er drehte sich auf seinem Stuhl herum.
Und plötzlich brach die Hölle in dem Laden los.
Das Tosen der Menge war noch ungezügelter als die computergesteuerte Musik. Schreiend, brüllend, fluchend sprangen Leute von Hockern, Stühlen und aus Nischen und wogten wie Bauern beim Sturm auf den Palast des Königs ängstlich, zornig, blutrünstig auf das kleine Glashaus zu.
Als Eve nach ihrer Waffe greifen wollte, rammte ihr jemand derart kraftvoll seinen Ellenbogen unters Kinn, dass sie mit dem Kopf gegen die Scheibe krachte und zwei Sekunden tatsächlich Sterne sah.
Das nervte sie derart, dass sie einem grünhaarigen Punk das Knie in die Leistengegend rammte, einem jammernden Freak voll auf den Fuß trampelte und dann dreimal unter die Decke schoss.
Obwohl noch mehrere Personen umgeworfen oder grob in Richtung des Informationshäuschens geschleudert wurden, trat endlich ein gewisses Maß an Ruhe ein.
»Polizei!«, schrie sie und hielt außer ihrer Waffe ihren Ausweis in die Luft. »Mach endlich jemand die verdammte Musik aus. Und zwar auf der Stelle! Und jetzt geht jeder schön brav zurück an seinen Platz, wenn er nicht wegen Aufruhrs, tätlichen Angriffs und Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auf das Revier verfrachtet werden will.«
Auch wenn in dem Durcheinander aus Drohungen, Beschimpfungen und wütendem Gemurmel ein Teil dessen, was sie sagte, unterging, schlichen doch die anständigeren oder eventuell feigeren der Gäste gesenkten Hauptes davon.
Eins der jungen Mädchen lag mit blutender Nase schluchzend direkt vor Eve am Boden.
»Alles in Ordnung.« Eve stupste die Kleine so sanft wie möglich mit dem Stiefel an. »Steh ruhig wieder auf.«
Die Rufe aus verschiedenen Ecken des Lokals wurden wieder lauter. Bürgersinn und Feigheit waren
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