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Das Lächeln des Leguans

Titel: Das Lächeln des Leguans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Nachbarschaft einen. Sie fand die Balletttänzerinnen
     im Fernsehen schön? Dann ließ er ihr aus Québec Spitzenschuhe kommen. Sie sehnte sich nach dem Mond? Dann beschloss er auf
     der Stelle, Astronaut zu werden. Für seine Prinzessin in Filzstiefeln war nichts unerreichbar, und diese maßlose Liebe wurde
     erwidert, denn Mama vergötterte ihren großen Bruder, diesen allmächtigen Magier. Kein Mädchen hatte je einen ritterlicheren
     Bruder und unerbittlicheren Beschützer; niemand hätte gewagt, Hugues’ Schwester anzurühren. Als sie älter wurde, erwies sich
     das sogar als problematisch, denn bei der Auswahl ihrer Verehrer zeigte er sich ausgesprochen wählerisch, sodass er einen
     nach dem anderen vergraulte. Papa war der einzige, der vor seinen Augen bestehenkonnte, bestimmt, weil er ihm so ähnlich war, was übrigens auch der Grund ist, weshalb ich so sehr an diesem langen Lulatsch
     hänge. Ich himmle ihn nicht nur an, weil er von meinen Onkeln der dynamischste und respektloseste ist, sondern vor allem,
     weil er mich an meinen Vater erinnert. Darum liebe ich ihn so sehr, und heute mehr denn je. Darum habe ich mich in seinen
     deftigen Frittenduft gestürzt und ihn so fest umarmt, dass ich mir um ein Haar die Schultern ausgekugelt hätte.
    Hugues hat zwischen zwei Küssen verkündet, er komme gerade aus Afrika. Er habe in Villeneuve unser Haus verlassen vorgefunden
     und sich bei einem Nachbarn erkundigt, der ihm vom Tod meiner Eltern erzählt habe. Von dort sei er entsetzt sogleich nach
     Ferland weitergereist und nun unendlich erleichtert, dass wenigstens Mama am Leben sei. Wir erzählten ihm alles der Reihe
     nach, was uns furchtbar traurig machte, vor allem Mama, die sich in seinen Armen schier auflöste. Hugues schluckte seine eigenen
     Tränen herunter und bemühte sich, sie zu trösten. Um sie wieder zum Lächeln zu bringen und die an ihr haftende erdrückende
     Traurigkeit zu vertreiben, beschloss er ganz spontan, sie zum Tanzen auszuführen. Mama war erst noch unschlüssig, doch Hugues
     ließ ihr keine Chance, seine Einladung auszuschlagen: Er behauptete, sie habe es bitter nötig, das Haus zu verlassen und auf
     andere Gedanken zu kommen, die Diskotheken in Villeneuve würden nur auf sie warten, und forderte sie auf, sich zurechtzumachen.
    Während Mama sich umzog, beantwortete Hugues unsere Fragen nach Liberia, Sierra Leone und Angola − lauter schöne Länder, die
     leider nicht zu regieren seien −, dann wollte er unbedingt Lucs Bekanntschaft machen. Als ich sah, wie sehr mein Freund von
     diesem Riesen mit der dröhnenden Stimme eingeschüchtert war, schaltete ich mich ein und erklärte, er gehöre inzwischen zur
     Familie. Hugues schien sich nicht im Geringsten zu wundern, schüttelte nur seine Hand und hieß ihn willkommen, als wäre nicht
     er gerade eingetroffen, sondern Luc. Als Mama die Treppe herunterkam, benahm uns ihr Anblick den Atem, denn sie wirkte plötzlich
     zehn Jahre jünger. Sie hatte sich frisiert, geschminkt und trug ihr schönstes Sommerkleid. Ich hatte sie schon lange nicht
     mehr so strahlend gesehen. Hugues schnappte sie sich, ließ sie in das funkelnde Kabrio steigen, das er am Flughafen gemietet
     hat, und schon verschwanden beide, uns Luftküsse zuwerfend, in der Dunkelheit.
    Es ist schon spät. Sie sind noch nicht zurück, aber ich mache mir keine Sorgen. Ich sollte endlich einschlafen, doch das gelingt
     mir einfach nicht. Ich bin eben zu aufgeregt wegen der Ankunft meines Onkels. Hugues ist nämlich einer, dem nichts etwas anhaben
     kann. Wenn er da ist, kann man sicher sein, dass aufregende Tage bevorstehen, und ich liege mit offenen Augen da und bin beim
     bloßen Gedanken daran wie elektrisiert   …

24
    Hugues mischt alles auf und reißt uns mit in einen heiteren Strudel aus Aktivitäten, eine atemlose Hetzjagd, an der auch Luc
     teilhat, denn mein Onkel hat an meinem schrägen Bruder einen Narren gefressen. Er findet ihn zum Totlachen und möchte ihn
     unbedingt überall dabeihaben. Wir gehen unentwegt ins Restaurant oder Kino, kaufen zwischendurch rasch ein, um Mama eine Garderobe
     zusammenzustellen, die ihrer würdig ist, fahren ständig im Auto herum, schwimmen und spielen mit nacktem Oberkörper Baseball
     oder Frisbee. Heute sind wir in einer gemieteten
Beaver
über die Taiga und die Seen im Norden geflogen. Es war beeindruckend, auf denvon lauter Flüssen durchfurchten, mit unzähligen Seen gespickten Schild aus uraltem Gestein hinabzublicken.

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