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Das Lächeln des Leguans

Titel: Das Lächeln des Leguans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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die Feiertage offenbar unter einem glücklichen
     Stern. Luc hat beim Dekorieren undsogar beim Kochen geholfen und sich Großmutter als Küchenhilfe angeboten, während sie ihre Pasteten zubereitete. Wendig wie
     ein Makake ist er auf der Veranda herumgeklettert, um das Haus mit bunten Glühbirnen zu schmücken. Er hat auch beim Aufstellen
     des Weihnachtsbaumes geholfen, an dessen Zweigen er zur Verschönerung außer den Kugeln ein paar Makrelengräten befestigt hat.
     
    *
     
    Das Freischaufeln des Eingangs ist zu einem allmorgendlichen Ritual, einer Art Muskelreflex, geworden. Es ist eine alles in
     allem angenehme Gewohnheit, eine Gelegenheit, herrliche Wettkämpfe unter Männern auszutragen: Ganz high vor Endorphinen, legen
     wir von beiden Enden der Einfahrt aus los und machen uns über die Schneewehen her, mit Blick auf den Hockeyschläger, der in
     der Mitte als Fähnchen dient, während Großvater uns mit der Stoppuhr in der Hand anfeuert. Und wenn wir in eher kreativer
     Stimmung sind, machen wir uns die Mühe, aus der winterlichen Erstarrung riesige makellose Würfel herauszuarbeiten, die wir
     statt einer Signatur mitten auf dem Weg zurücklassen.
     
    *
     
    Der Heilige Abend war von Freude erfüllt. Großvater bekam einen Windmesser und Großmutter eine neue Nähmaschine geschenkt.
     Mama schloss ihre Mini-Stereoanlagean und legte eine CD mit Weihnachtsliedern ein, während ich hektisch meinen Computer auspackte. Für Luc hatte ich richtig
     gute Schwimmflossen besorgt, und von meinen Großeltern bekam er auf meinen Rat hin eine Taucherbrille. Großmutter hatte ihm
     außerdem eine prächtige Samthose gekauft. Er hat jedem von uns ein Geschenk überreicht, das in seiner Werkstatt in der Bucht
     entstanden ist. Mir hat er eine Kette aus Krabbenscheren geschenkt, ein Symbol für den Pakt, der uns verbindet und unsere
     Freundschaft besiegelt. Für Großvater hat er aus einem Walwirbel einen ziemlich beeindruckenden Aschenbecher geschnitzt und
     für Großmutter einen hübschen kleinen Spiegel mit aus Meergras geflochtenem Rahmen gebastelt. Das Geschenk für meine Mutter
     hat ihn in den vergangenen Wochen am meisten beschäftigt. Da ihm nichts einfallen wollte, das schön genug für sie gewesen
     wäre, hat er bis zur letzten Minute gezögert und ihr dann in aller Eile zierliche Ohrgehänge gezaubert, in die winzige Muscheln
     eingearbeitet sind. Mama mag sie sehr. Sie wiederum hat ihm eine Künstlerausrüstung mit Leinwänden, Ölfarben, Zeichenkohle
     und Tusche geschenkt, und dann hatte sie noch etwas für ihn: Sie hatte ihm Schlittschuhe gekauft. Erst war Luc ganz fassungslos,
     doch heute Morgen hat er sie gleich eingeweiht und unter meiner Leitung trainiert. Er ist mehr auf seinem Hosenboden als auf
     den Kufen herumgerutscht und manchmal zu einem unkontrollierbaren Geschoss mutiert, das nur noch von der Seitenbande gebremst
     werdenkonnte, aber ich weiß, dass ihn die blauen Flecke nicht abhalten werden; er ist fest entschlossen, diese neue Methode der
     Fortbewegung zu erlernen, und er wird es auch schaffen, koste es, was es wolle, denn schließlich geht es ihm darum, das Geschenk
     meiner Mutter gebührend zu würdigen.
    Da wir dem Leguan die allgemeine festliche Stimmung nicht vorenthalten wollten, haben wir uns mit unseren Schneeschuhen zur
     Bucht aufgemacht, um ihm eine kleine persönliche Bescherung zu bereiten. Wir setzten ihm eine rote Kappe auf den flachen Kopf,
     schmückten seinen Kamm mit Girlanden und sangen ein paar Weihnachtslieder. Dann stellte ich eine Panoramaansicht der Galapagosinseln
     vor ihm auf, die aus einem
Geo
-Heft stammt. Während der Feier schenkte der Leguan uns nur sein ewiges mesozoisches Lächeln, aber ich konnte ihm ansehen,
     dass er sich freute.
     
    *
     
    Der Winter wird uns nicht daran hindern, dem Leguan unseren Respekt zu zollen. Trotz des tiefen Schnees durchstreifen wir
     weiterhin Les Gigots und suchen immer wieder diesen Eiskeller auf, in dem die Amphibie ihren Winterschlaf hält. Man braucht
     nur ein Feuer zu machen, und schon wird es in der Grotte ganz behaglich, jedenfalls so warm, dass wir unsere Parkas ausziehen
     und an Lucs Fresko weiterarbeiten können. Ich helfe ihm beim Hintergrund und traue mich hin und wieder, in einen Winkeleinen kleinen Triton zu kritzeln, während er oben im Gewölbe vor dem Alkoven wie ein drittklassiger Michelangelo malt. Er
     versucht, ein krakenköpfiges Ungeheuer zu porträtieren, dem er gelegentlich auf seinem

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