Das Lächeln des Leguans
Wir sind direkt
vor dem
Williams Club
auf dem Wasser gelandet, einer Lodge, die bei passionierten Lachsfischern sehr beliebt ist. Der Manager ist ein Freund von
Hugues, und dort haben wir gegessen. Dann flogen wir wieder Richtung Süden, bis wir schließlich die zerklüftete Atlantikküste
sehen konnten. Luc hat sich von dem Ausflug noch nicht so ganz erholt. Er liegt zwar auf dem Bett neben mir, aber im Geiste
segelt er nach wie vor durch die Lüfte. Eine schöne Abwechslung für ihn, der in seiner Fantasie doch sonst immer nur schwimmt.
*
Die Mundharmonika, auf der Hugues wie ein echter alter Farbiger aus Louisiana spielt, jault im Wohnzimmer, und abends, am
Kamin, stiehlt mein Onkel mit seinen wahren Geschichten über Guerillakämpfe und Gerobbe durch von Krokodilen und riesigen
Blutegeln heimgesuchte Sümpfe Großvater die Show. Dagegen klingt das ungereimte Zeug des alten Mannes belanglos, und er leidet
unter dieser Konkurrenz. Er kann es seinem dämlichen Sohn nur schwer verzeihen, dass er es wagt, in seinem eigenen Haus mit
ihm zu rivalisieren, und wirft ihm vor, unser Hirn mit brutalem Blödsinn vollzustopfen. Ich habe mich noch nie gefragt, als
was Hugues eigentlich arbeitet. Ich weiß, dass er Söldner ist, ein Beruf, den meine Großeltern für unehrenhaft halten, dabei
habe ichihn mir in meiner Arglosigkeit immer als edlen Krieger vorgestellt. Als eine Art fahrenden Ritter. Als Helden aus einem Zeichentrickfilm.
Sollte die Realität etwa weniger schillernd und mein Onkel in undurchsichtige Machenschaften verwickelt sein? Manchmal würde
ich ihn gern danach fragen, aber eigentlich will ich es gar nicht wissen. Ich hoffe nur, dass er auf der richtigen Seite kämpft.
*
Hinter der Remise erteilt uns Hugues Jiu-Jitsu-Unterricht und weist uns in den Umgang mit Blankwaffen ein. Er ist ein äußerst
gewandter Fechter. Geschickt handhabt er die verschiedensten spitzen Gegenstände und schafft es, Canuel mit diversen Schraubenziehern
mehrmals hintereinander direkt ins Herz zu treffen. Großvater hält nicht viel von diesen kriegerischen Darbietungen. Er wirft
uns abfällige Blicke zu, und man sieht ihm an, dass er innerlich kocht. Er unkt, unsere Messerspielchen würden noch im Krankenhaus
enden, worauf Hugues nur mit den Schultern zuckt und Mama sich, sobald der Ton schärfer wird, schützend vor ihn stellt. Großvater
gibt sich schließlich geschlagen; was bleibt ihm angesichts der Verschworenheit der beiden auch anderes übrig? Luc ist ganz
meiner Meinung: Er findet Hugues großartig. Er läuft beim Joggen neben ihm her und ist immer gern bereit, mit ihm zu raufen.
Luc ist von Hugues’ väterlicher Ausstrahlung fasziniert. Wenn ich zärtlich unter seinenmuskulösen Arm schlüpfe, wird er ganz eifersüchtig. Dann schmollt er, und um ihn wieder aufzuheitern, muss man ihn lange kitzeln.
*
Hugues’ Urlaub neigt sich seinem Ende zu. Er behauptet, er habe irgendwelche mysteriösen Verpflichtungen in Angola. In ein
paar Tagen wird er aufbrechen, und der Gedanke daran stimmt uns alle ganz traurig, nur Großvater nicht, denn die beiden liegen
sich ständig in den Haaren. Das ist auch einer der Gründe, weshalb Hugues lieber abreist. Damit wir ihn in guter Erinnerung
behalten, hat er ein Segelboot gemietet, mit dem wir morgen zusammen mit Mama eine kleine Kreuzfahrt auf dem Golf unternehmen
werden. Ich will die Gelegenheit nutzen, mich mit den Grundlagen des Segelns vertraut zu machen.
25
Wir gingen bei bedecktem Himmel an Bord und segelten aus dem Hafen, doch bereits auf Höhe der Inseln flaute der Wind ab. Wir
mussten die Bucht von Villeneuve mithilfe des Außenbootmotors verlassen. Dann fing es an zu regnen, und gegen Mittag zog Nebel
auf. In unserer Not gingen wir vor Gallix vor Anker und aßen eine von Großmutter zubereitete Pastete. Bei Einbruch der Dämmerung
frischte der Wind jedoch auf, und inzwischen sind die Wellen einen Meter hoch. Verdammtes Stampfen. Alle sind seekrank. Keiner
macht ein Auge zu. Zum Glück sagt Luc für morgen eine ruhige See voraus.
*
Ich habe gelernt zu steuern, mit geblähtem Spinnaker hart am Wind zu segeln. Wir schneiden wie ein Buttermesser durch das
Wasser. In nur zwei Tagen sind wir zum Cap-aux-Loutres und zurück gefahren. Das Wasser strich den Rumpf entlang; nicht einmal
die Wale konnten mit uns mithalten. Halbnackt in der Sonne badend, fühlten wir uns wie Piraten, die imaginären
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