Das Lächeln des Leguans
Pflicht und anderes dummes Zeug, das ihm gerade in den Sinn kam. Er versuchte,
Luc davon zu überzeugen, dass es für ihn besser gewesen wäre, nichts von all dem zu erfahren und abzuwarten, bis er reif genug
wäre und eher imstande zu verstehen. Dabei war offenbar er schwer von Begriff. Glaubte er tatsächlich, uns mit diesem hohlen
Geschwätz abwimmeln zu können? Da wir eine Steigerung des Drucks für angebracht hielten, besprachen wir zähneklappernd unsere
weitere Vorgehensweise und entschieden uns für Überzeugungsplan Nr. 1, der darin bestand, dem Priester anzudrohen, höchst unangenehme Pädophiliegerüchte über ihn in Umlauf zu bringen. Auf diese
Methode mussten wir allerdings nicht zurückgreifen: Loiselle erschrak über unser kannibalisches Kiefergeklapper und gab klein
bei. Ihm wurde klar, dass wir nicht aufgeben würden, und so hielt er ein letztesMal verzweifelt nach der noch immer nicht anrückenden Engelskavallerie Ausschau, öffnete dann die Falltür und setzte zu einer
Geschichte an, die dreizehn Jahre zurücklag.
Er erzählte von seiner damaligen Begegnung mit Chantal, die kurz zuvor den Fischer Bezeau geheiratet hatte und noch nicht
lange im Dorf lebte, einer frommen jungen Frau, die jeden Sonntag zur Beichte gekommen und deren geistlicher Beistand er geworden
sei. So habe er von den Problemen des Paares erfahren: von Bezeaus Alkoholismus, seinem brutalen Naturell und ihren Geldsorgen.
Deshalb habe er Chantal eine Stelle als Haushälterin im Seemannsheim angeboten. Bezeau sei anfangs dagegen gewesen, doch der
Geistliche habe versprochen, über sie zu wachen, und die finanziellen Vorteile hätten den verletzten Stolz des Fischers besänftigt.
Chantal habe ihren neuen Job angetreten. Der Priester habe sie zur Arbeit im Auto mitgenommen und auch wieder nach Hause gefahren.
Die junge Frau sei froh gewesen, aus ihren vier Wänden herauszukommen, und habe mit großem Einsatz ihre Arbeit erledigt. Die
finanzielle Situation der Bezeaus habe sich stabilisiert, und auch der Fischer habe ausgeglichener gewirkt; so sei ein Jahr
vergangen. Bis zu jenem Tag, als sich das Unvorstellbare, Unbegreifliche, Fürchterliche ereignete …
Eines Abends hatte Loiselle, als er vom Einkaufen ins Seemannsheim zurückgekehrt war, die arme Chantal im Billardraum angetroffen.
Sie war von Seeleuten belästigtworden, die ihr die Augen verbunden und sie dann vergewaltigt hatten. Sie hatte den Priester jedoch angefleht, nur ja nicht
die Polizei zu rufen, und sich partout geweigert, ins Krankenhaus gebracht zu werden. Vor allem sollte ihr Mann nichts davon
erfahren. Loiselle hatte ihr versprochen, kein Wort darüber zu verlieren. Sie hatten beide so getan, als wäre nichts geschehen.
Chantal wirkte unglaublich stark, sie schien die Kraft zu haben, die schwere Prüfung zu bestehen, sich ohne sichtbare Folgen
davon zu erholen, und vielleicht hätte ihr Leben wieder seinen gewohnten Lauf genommen, wenn sie nicht ein paar Wochen später
festgestellt hätte, dass sie schwanger war. Erschüttert hatte die junge Frau den Geistlichen um moralischen Beistand gebeten.
Aus Angst, Bezeau die Wahrheit zu offenbaren, hatte sie beschlossen, das Kind als sein eigenes auszugeben, und Loiselle hatte
eingeräumt, dass man sich unter dergleichen außergewöhnlichen Umständen gegen das Gelöbnis bedingungsloser Aufrichtigkeit,
an das Mann und Frau gebunden seien, hinwegsetzen dürfe. Sie waren also das Risiko eingegangen: Chantal hatte dem Fischer
eröffnet, dass er demnächst Vater werde, und als Bezeau daraufhin mit stolzgeschwellter Brust herumlief, hatten sie sich in
ihrem Handeln nur bestätigt gefühlt.
So also wurde Luc geboren, und der Priester hatte bei der Taufe den Himmel gepriesen, dass er alles zum Guten gewendet hatte.
Die Lobpreisungen sollten sich jedoch als voreilig erweisen, denn einen Monat später hatte Chantalihn in einem Zustand der Panik aufgesucht und ihm eröffnet, ihr Mann zweifle an der Legitimität des Kindes, und zwar wegen
seines ungewöhnlichen Äußeren, seiner seltsamen orientalischen Augen, seines dunklen Teints und seiner pechschwarzen Haare,
die dem Fischer sogleich aufgefallen waren, da so etwas weder in seiner noch in ihrer Familie vorkam. Bezeau hatte dem Säugling
finstere Blicke zugeworfen und sarkastisch auf die berühmten DN A-Tests angespielt. Chantal hatte nicht gewusst, wie lange sie die Fassade noch würde aufrechterhalten können, und
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