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Das Lächeln des Leguans

Titel: Das Lächeln des Leguans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Loiselle hatte
     ihren Sorgen umso aufmerksamer Gehör geschenkt, als er ähnliche Befürchtungen hegte: Trotz ihrer beider Vorsicht war über
     das, was sich ereignet hatte, im Hafen geredet worden. Offenbar gab es mehrere Zeugen der Vergewaltigung. Gerüchte kursierten,
     und es stand zu befürchten, dass sie auch dem Fischer zu Ohren kommen würden. Das hatte von ihr eine schmerzliche, doch unumgängliche
     Entscheidung verlangt: Als Chantal zu ihm kam, um seinen Rat einzuholen, hatte Loiselle ihr geraten, ihrem Mann die Wahrheit
     zu offenbaren. Sie hatte ihm recht gegeben, ihr bliebe nichts anderes übrig, vorausgesetzt, sie könne die Kraft dafür aufbringen.
     Fest entschlossen, ihr bis zum bitteren Ende zur Seite zu stehen, hatte Loiselle angeboten, sich der Sache anzunehmen, und
     den Fischer zu sich bestellt.
    Nun brauchten wir den Priester nicht länger zum Sprechen zu drängen. Kreidebleich und schweißgebadet befreite er sich von
     der Bürde des Schweigens, und die Sätzesprudelten nur so aus ihm hervor, als würden sie von einem Eisgang der Seele fortgetragen. Er erzählte, wie er Bezeau in ebendem
     Wohnzimmer, in dem wir jetzt saßen, empfangen hatte. Wie er ihm ganz behutsam offenbart hatte, bei welchem Gewaltakt Luc entstanden
     war, wobei er ihm die seelischen Nöte schilderte, die dessen Mutter durchlitten hatte, in der Hoffnung, das Mitgefühl des
     Fischers zu erregen. Und er hatte geglaubt, das sei ihm gelungen. Als er den unglücklichen Bezeau, dem es die Sprache verschlagen
     hatte, an jenem Abend zur Tür begleitet hatte, war er der festen Überzeugung, ihm vermittelt zu haben, worin seine Pflicht
     als Christ und Ehemann bestehe. Er hatte jedoch die angeborene Paranoia des Fischers unterschätzt, und als Loiselle tags darauf
     das Paar aufsuchte, um ihm seelischen Beistand zu leisten, war er von einem ganz und gar veränderten Menschen empfangen worden.
     Einem betrunkenen, völlig aufgelösten Mann, der ganz außer sich war vor verletztem Stolz. Einem gewalttätigen Mann, der sich
     partout weigerte, an die Unschuld seiner Frau zu glauben. Er bezichtigte Chantal, die kollektive Schändung insgeheim herbeigewünscht,
     ja provoziert zu haben, und unterstellte dem Geistlichen sogar, daran beteiligt gewesen zu sein. Er wetterte, man habe ihn
     hintergangen und er werde sich nicht so einfach austricksen lassen. Loiselle hatte versucht, den Fischer zur Vernunft zu bringen,
     doch der hatte nur mit seinem Gewehr herumgefuchtelt und den, der seiner Meinung nach an allem schuld war, fortgejagt. Der
     Priesterhatte die Flucht ergreifen und Chantal und das Baby, beide in Tränen aufgelöst, zurücklassen müssen. Er hatte die Polizei
     alarmiert und dann gebetet, dass Bezeau sich wieder beruhigen, mit einigem Abstand das Geschehene begreifen und akzeptieren
     möge. Doch der Wahn hielt an, und die Situation verschlimmerte sich nur noch.
    Bezeau nahm einfach keine Vernunft an. Die Verzweiflung seiner Frau ließ ihn gleichgültig, und besessen vom fremdartigen Aussehen
     des Kindes, verfiel er dem Alkohol. Er lehnte den nichtswürdigen Bastard ab und verlangte, dass man ihm einen anderen Namen
     gebe. Das Haus war zu einem Kloster geworden, zu dem niemand Zutritt hatte, in dem Chantal gefangen gehalten wurde. Wenn der
     Fischer aufs Meer hinausfuhr, nutzte Loiselle die Gelegenheit, um heimlich mit ihr zu beten und ihr Trost zu spenden, doch
     die junge Frau verkümmerte allmählich in der beklemmenden Atmosphäre ständiger Vorwürfe. Sie musste sich Bezeaus Drohungen
     anhören, dem Kind den Hals umzudrehen, und Chantal traute sich nicht einmal mehr zu schlafen, aus Angst, er könne seine Drohungen
     wahrmachen und das Kind, diesen Sohn, den sie trotz allem liebte, erdrosseln. Loiselle hatte ihr geraten, mit einem Frauenhaus
     Kontakt aufzunehmen, den Fischer zu verlassen und in die Stadt zu ziehen, doch sie schien das für undenkbar zu halten, so
     etwas würde er nie zulassen, das würde er ihr heimzahlen. Sie war am Ende. Vergewaltigung, Schwangerschaft und die Verantwortung
     als Mutter, dazu die ständige Angst und Schlaflosigkeithatten sie ausgelaugt und in eine Depression gestürzt, aus der sie nicht mehr herausfand. Ihr Martyrium ließ sie kein Licht
     am Ende des Tunnels erkennen und hinderte sie daran, über die nächste Stunde, das unmittelbare Überleben, die Versorgung des
     Kindes hinauszublicken. Und auch der Geistliche fühlte sich schließlich, von Machtlosigkeit übermannt, wie

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