Das Lächeln meiner Mutter
Lucile bestand auf diesem Status wie auf einer Heldentat, und für sie war es tatsächlich ein Sieg: dass sie so lange durchgehalten hatte.
Die Besuche meiner Kinder bei ihrer Großmutter folgten einem unabänderlichen Ritual, an das sie, über die Crêpes und die obligatorischen Spaziergänge im Parc de la Villette hinaus, eine genaue Erinnerung bewahrt haben. Jedes Mal, wenn Lucile sie bei sich hatte, ließ sie sie eine
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eigener Erfindung zusammenbrauen, wobei die Kinder das Recht hatten, frei über die in der Küche auffindbaren Lebensmittel zu verfügen, und Lucile die selbstauferlegte Pflicht, unter allen Umständen davon zu kosten.
So kam es, dass Lucile unter den spöttischen Blicken meiner Tochter und meines Sohnes die scheußlichsten Mischungen hinunterbringen musste, bestehend aus Gewürzen, Schokolade, Mehl, Marmelade, Sojasauce, Coca-Cola, Kräutern der Provence, Kondensmilch, Olivenöl …
Lucile war eine überängstliche, überbehütende Großmutter, unsere Kinder versetzten sie, potenziert, in all die Ängste, die sie unseretwegen nicht gehabt hatte. Sie wich ihnen nicht von den Fersen, zwang sie (weit über das Kleinkindalter hinaus), ihr beim Überqueren der Straße die Hand zu geben, und ließ während ihrer Besuche nie ein Fenster offen; ständig sah sie Katastrophen voraus oder malte sich aus, was ihnen passieren könnte (wie beispielsweise ein Gegenstand, von einem ebenso plötzlichen wie heftigen Luftzug getroffen, umfallen und einen weiteren Gegenstand mitreißen konnte, der wiederum unfehlbar jemanden treffen musste usw.)
Ich dachte an die Stunden, die wir, fern ihrer Aufsicht, uns selbst überlassen gewesen waren.
Eines Tages, als ich mich mit Lucile in einem Café traf, teilte sie mir die schrecklichen Sorgen mit, die sie sich um meine Kinder machte. Seit einiger Zeit sah Lucile überall nur Kinderschänder und verdächtigte jeden über fünfzehnjährigen Mann in unserer näheren oder weiteren Umgebung. So viel Angst bedrückte mich, und ich fürchtete, sie könne auch meine Kinder bedrücken. Die Diskussion wurde bald hitzig, Lucile war angespannt und aggressiv, ich geriet in Zorn. Ich weiß nicht mehr genau, was ich sagte, aber es war sinngemäß, dass sie die Ängste, die sie besser um uns gehabt hätte, auf unsere Kinder übertrug. Lucile sprang auf und kippte unter lautem Geschepper das Tischchen, an dem wir zu Mittag aßen, auf meinen Schoß. Ich betrachtete also in diesem angesagten Café in der Rue Oberkampf unter den verblüfften Blicken der etwa dreißig Anwesenden das über meine Hose verstreute Hähnchen mit Pommes frites und den Croque-Monsieur mit Salat. Lucile war verschwunden. Würdiger denn je stellte ich den Tisch wieder hin, las die Fritten einzeln auf, legte einen Geldschein auf den Tisch und verließ das Lokal, ohne mich noch einmal umzusehen.
Wir haben nie wieder über diese Szene gesprochen. Das hatte uns die Zeit gelehrt, alle beide: dass wir uns anbrüllen und dann zu anderem übergehen konnten.
Lucile liebte die Avenue Jean Jaurès, die Läden »Fabio Lucci« und »Sympa«, wo sich alle möglichen Kleidungsstücke und Accessoires zweifelhafter Qualität und zweifelhaften Geschmacks stapelten. Sie verbrachte dort Stunden, ging durch die überfüllten Abteilungen und suchte den Lippenstift, die Strumpfhose, das T-Shirt, den BH , die Handtasche oder die Schuhe, die ihr genau richtig erschienen. Lucile durchkämmte die Schnäppchenbazare wie »Hall des Affaires« und »Troifoirien« und kannte alle billigen Adressen, wo sie mit viel Geschick mehr oder minder nützliche oder dekorative Kleinigkeiten auftrieb. Im Laufe der Jahre hatte Lucile einen sicheren Geschmack für das entwickelt, was
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war, Schund und Ramsch.
Lucile liebte Flohmärkte und Trödel- und Secondhandläden und entdeckte dort für ihre Enkelkinder unglaubliche Geschenke (Nippes, Dosen, Armbänder, Haarspangen, Opinel-Messer, Bleistifthalter, Krippenfiguren …), die ebenso verrückt wie nutzlos waren und die sie bei ihren Besuchen triumphierend überreichte.
Wenn ich an diese wenigen Jahre nach Manons Rückkehr denke, scheint mir, sie waren für Lucile eine sanfte Zeit, einer dieser Momente der Beruhigung, in dem die Dinge endlich ins Lot zu kommen scheinen, eine Zeit der Ruhe vor dem Sturm. Das bezeugen auch die Aufnahmen, die meine Schwester bei Luciles letzten Geburtstagen gemacht hat, ihr Lächeln, der gewisse Stolz in ihrem Gesicht, die Kerzen, die
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