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Das Land der lebenden Toten

Das Land der lebenden Toten

Titel: Das Land der lebenden Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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einer seiner Adjutanten hämmerte fieberhaft Befehle in die Tastatur eines Computerterminals. »Das ergibt doch keinen Sinn, verdammt«, sagte Howard. »Kavallerie, Panzer, fliegende Festungen, alles gleichzeitig – ist das die Vorstellung von diesen Hundesöhnen, wie man einen Krieg führt?«
    Lovecraft legte den Zeigefinger über die Lippen. »Brüll hier nicht so rum, Bob! Oder willst du, daß der Priester dich hört? Wir sind hier Gäste, vergiß das nicht. Und Gesandte von König Heinrich.«
    »Also, mir ist das egal, wenn er mich hört, soll er mich doch hören. Schau dir dieses irrsinnige Durcheinander an! Kapiert denn dieser Priester Johannes nicht, daß da ein chinesischer Bolschewik aus dem zwanzigsten Jahrhundert zum Angriff anrückt, mit Waffen aus dem zwanzigsten Jahrhundert? Was könnten Reiterformationen dagegen ausrichten, um Himmels willen? Eine Kavallerieattacke gegen schwere Geschütze? Pfeil und Bogen gegen Haubitzen?« Howard keckerte höhnisch. »Pfeile mit nuklearen Spitzen, ja? Ist das der Trick?«
    Leise sagte Lovecraft: »Soweit wir das wissen können, ist es genau das.«
    »Aber du weißt doch, daß das unmöglich ist, H. P. Ich bin erstaunt über dich. Ein Mann mit deinem wissenschaftlichen Rüstzeug. Mir ist klar, daß dieses ganze Atomzeug nach unserer Zeit kam, aber du hast dich ja bestimmt theoretisch auf dem laufenden gehalten. Eine kritische Masse auf einer Pfeilspitze? Nein, H. P. du weißt so gut wie ich, daß das nicht funktionieren kann. Und selbst wenn es möglich wäre…«
    Höchst ärgerlich winkte Lovecraft ihm zu, er solle den Mund halten. Er zeigte durch den Raum zum Hauptmonitor vor dem Priester Johannes. Auf dem Bildschirm war das blühende Gesicht eines untersetzten Mannes mit dichtem weißen Backenbart zu sehen.
    »Ist das nicht Hemingway?« fragte Lovecraft.
    »Wer?«
    »Ernest Hemingway. Ein Schriftstellerkollege. A Farewell to Arms – The Sun Also Rises…«
    »Hab’ sein Zeug noch nie gemocht«, sagte Howard. »Angekränkelte Scheiße über einen Haufen besoffener Schwächlinge. Bist du sicher, er ist es?«
    »Schwächlinge, Bob?« fragte Lovecraft erstaunt.
    »Also, ich habe bloß dies eine Buch von ihm gelesen, über diese Amerikaner in Europa, die zum Stierkampf rennen und sich besaufen und mit den Weibern der anderen herumhuren – und das reichte mir an Erfahrungen mit Mr. Hemingway. Ich sage dir, H. P. es war mir widerlich. Und wie das Zeug geschrieben war! Ständig diese kurzen, knappen Sätze. Kein Zauber, keine Poesie, H. P. nichts.«
    »Diskutieren wir ein andermal darüber, Bob.«
    »Keinerlei Vision von Heldentum – kein Gespür für die erhabeneren Leidenschaften, die uns edler machen und…«
    »Bob, ich bitte dich!«
    »Fixiert auf das Gemeine, das Schleimige, das Verwerfliche…«
    »Du liegst völlig daneben, Bob. Du interpretierst seine Lebensauffassung vollkommen falsch. Wenn du dir nur die Mühe gemacht hättest, A Farewell to Arms zu lesen…« Lovecraft schüttelte empört den Kopf. »Aber jetzt ist nicht die Zeit für ein literarisches Colloquium. Da, sieh lieber dorthin!« Er machte eine Kopfbewegung zur anderen Seite des Raums. »Einer der Adjutanten des Kaisers winkt uns, daß wir hinüberkommen sollen. Etwas tut sich da.«
    Tatsächlich hatte es eine Entwicklung gegeben, sozusagen. Yeh-lu Ta-shih schien sich mit drei, vier Adjutanten gleichzeitig zu besprechen. Gilgamesch stampfte mit hochrotem Gesicht erregt vor der Computerbank auf und ab. Hemingways Gesicht war noch auf dem Schirm, und auch er wirkte aufgeregt.
    Howard und Lovecraft eilten hinüber. Der Herrscher wandte sich zu ihnen um. »Es kam das Angebot einer Unterhandlung auf dem Kampffeld«, sagte er. »Kublai Khan ist auf dem Weg herüber. Dr. Schweitzer wird als mein Parlamentär fungieren. Ein Mr. Hemingway übernimmt die Rolle des neutralen Beobachters – ihres Unparteiischen. Auch ich benötige einen Unparteiischen. Würdet ihr zwei ebenfalls hingehen und als Diplomaten einer neutralen Macht ein Auge auf die Dinge haben?«
    »Es ist uns eine Ehre, Euch zu Diensten zu sein, Majestät«, verkündete Howard großspurig.
    »Und zu welchem Zweck, mein Lord, wurde die Unterhandlung vorgeschlagen?« fragte Lovecraft.
    Yeh-lu Ta-shih wies auf den Bildschirm. »Dieser Mr. Hemingway hatte die brillante Idee, wir könnten die Angelegenheit durch einen Zweikampf entscheiden – Gilgamesch gegen Enkidu. Es würde eine Menge Munition sparen und einer Menge Kriegern die Mühe

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