Das Land der lebenden Toten
Narren? Diese Expedition ist absurd. Um die kümmere ich mich an einem Nachmittag nach dem Mittagsschläfchen. Nein, ich spreche von einem ganz anderen Feind. Sag mir eins: Weißt du von Mao Tse-tung?«
»Diese Fürsten unter den Später Toten – es gibt dermaßen viele davon, und ihre Namen bedeuten mir nichts.«
»Ein Chinese, ein Han. Kaiser der Marx-Dynastie, lange nach meiner Zeit. Ein geschickter, hartnäckiger und zäher Mann. Mehr als nur leicht verrückt. Er herrscht über ein Ding, das sich Himmlische Volksrepublik nennt. Direkt nördlich von hier. Und er redet seinen Untertanen ein, man könnte die Nachwelt zum Himmel machen, indem man sie kollektiviert.«
»Kollektiviert?« fragte Gilgamesch verständnislos.
»Indem man alle Bauern zu Königen macht und die Könige zu Bauern. Wie ich bereits sagte, er ist mehr als nur leicht verrückt. Doch er hat Myriaden loyaler Anhänger, die alles tun, was er befiehlt. Er gedenkt das ganze Outback zu erobern, und damit beginnen will er hier bei mir. Und danach soll die gesamte Nachwelt, Provinz nach Provinz, seinen verrückten Ideen unterworfen werden. Ich fürchte, diese Elizabeth ist im Bündnis mit ihm – daß diese absurde Unternehmung, angeblich einen Weg aus der Nachwelt finden zu wollen, weiter nichts ist als ein trickreicher Vorwand, daß ihr Raleigh meine Schwachstellen für sie ausspionieren soll, damit sie dann diese Informationen an Mao weitergeben kann.«
»Aber wenn dieser Mao der Feind aller Könige ist, weshalb sollte Elizabeth ein Bündnis mit…?«
»Beide wollen sich offenbar gegenseitig benutzen. Elizabeth hilft Mao, mich zu stürzen, Mao hilft Elizabeth, ihren Vater vom Thron zu vertreiben. Und was danach kommt, wer weiß? Ich jedenfalls gedenke zuzuschlagen, ehe die beiden mir Schaden zufügen können.«
»Aber was ist mit Enkidu«, sagte Gilgamesch. »Sag mir etwas über Enkidu.«
Der Priesterkönig entrollte einen Computerausdruck. Er überflog den Inhalt und las dann laut: »Der Kriegsheld Enkidu von Sumer aus den Reihen der Frühtoten – Sumer, so heißt doch dein Reich, nicht wahr? – langte an dem und dem Tag am Hofe Mao Tse-tungs an – offiziell angegebener Grund des Besuchs: ein Jagdausflug ins Outback – in Begleitung eines amerikanischen Spions, der sich als Journalist und Jäger tarnt, eines gewissen Ernest Hemingway – Geheime Treffen mit Kublai Khan, dem Kriegsminister der Himmlischen Volksrepublik – derzeit damit beauftragt, die kommunistische Armee auszubilden und für die Invasion in New Kara-Hitai vorzubereiten…« Der Kaiser blickte auf. »Erweckt das deine Aufmerksamkeit, Gilgamesch?«
»Was erwartest du dir von mir?«
»Dieser Mann ist dein berühmter Freund. Du kennst seine Gedanken wie deine eigenen. Beschütze uns vor ihm, und ich werde dir alles geben, was du dir wünschst.«
»Was ich mir wünsche«, sagte Gilgamesch, »ist nur die Freundschaft Enkidus.«
»Dann werde ich dir Enkidu auf einem silbernen Tablett servieren. Zieh für mich ins Feld gegen die Truppen Maos. Hilf mir, den Strategien, die dein Enkidu ihnen beigebracht hat, zuvorzukommen. Wenn wir diese Marxistenhunde wegfegen und ihre Generäle gefangennehmen, und dann gehört Enkidu dir. Ich kann dir natürlich nicht garantieren, daß er wieder dein Freund sein will, aber er wird dir gehören. Was sagst du dazu? Was sagst du, Gilgamesch?«
Von einem Horizont zum anderen breiteten sich die Legionen des Priesters Johannes über die grauen Ebenen der Nachwelt. Vor dem düsteren Firmament zuckten scharlachrot und gelb die Feldbanner. Im Zentrum der Formation stand ein Keil von Berittenen in Lederrüstung; an beiden Flanken eine Abteilung Schwerer Infanterie; die Panzerspitze des Kaisers bildete die Vorhut und rollte gemächlich über das unebene zerklüftete Terrain vorwärts. Eine Phalanx von transatmosphärischen Waffenträgern sorgte hoch droben für Deckung aus der Höhe.
Eine Staubwolke in der Ferne verriet das Anrücken der Armee der Himmlischen Volksrepublik.
»Bei allen stygischen Dämonen!« rief Robert Howard laut. »Hast du jemals sowas Verrücktes gesehen?« Lovecraft und er genossen einen speziellen Ausblick auf das Geschehen von ihren Plätzen im kaiserlichen Kommandoposten, einer von einem glühenden Kraftfeld abgeschirmten großartigen Pagode. Auch Gilgamesch war da, gleich nebenan, mit dem Priester Johannes und den Generalstabsoffizieren von Kara-Khitai. Der Kaiser klebte vor einer Batterie von Fernsehmonitoren, und
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