Das Land der MacKenzies
die von einem jungen Mann begleitet wurde. Mary nahm an, dass es sich um Dotties Sohn Bobby handelte.
„Hallo, Dottie", grüßte Mary freundlich, auch wenn sie argwöhnte, dass die andere das hässliche Gerücht über sie und Joe gestreut hatte.
„Hallo.“ Anstatt der säuerlichen Miene, die sie sonst zur Schau trug, schien Dottie erschüttert zu sein. „Haben Sie schon das von dem armen Teele-Mädchen gehört?“ „Von nichts anderem, seit ich den Laden betreten habe.“
„Sie haben diesen Indianer festgenommen, aber der Sheriff musste ihn laufen lassen. Ich kann nur hoffen, dass Sie nun mehr darauf achten, in wessen Gesellschaft Sie sich begeben.“
„Wolf wurde nicht festgenommen.“ Nur mit Anstrengung schaffte es Mary, ruhig zu bleiben. „Er wurde befragt, und zur Tatzeit war er auf der Rasco-Ranch. Wally Rasco hat es bestätigt. Wolf Mackenzie ist kein Vergewaltiger.“
„Ein Gericht hat das aber gesagt und ihn zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.“
„Und ihn rehabilitiert, nachdem der wahre Täter gefasst wurde und die Verbrechen gestanden hat, die man Wolf anlastete.“
Dottie wich erbost zurück. „Das sagt der Indianer. Wir wissen nur, dass er auf Bewährung freigelassen wurde. Es ist nicht schwer zu erkennen, auf wessen Seite Sie stehen, aber Sie rennen ja auch schon mit diesen Indianern herum, seitdem Sie angekommen sind. Ein altes Sprichwort besagt, man braucht sich nicht zu wundern, dass man Flöhe bekommt, wenn man bei den Hunden schläft. Die Mackenzies sind dreckiges Indianerpack ...“ „Wagen Sie es nicht, noch ein Wort zu sagen!“ Mary musste an sich halten, um die andere Frau nicht zu ohrfeigen. Ihre Wangen waren vor Wut hochrot. „Wolf ist ein anständiger, hart arbeitender Mann, und ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand das Gegenteil behauptet.“
Dottie hatte sich in Rage geredet, aber etwas in Marys Augen hielt sie davon ab, weiter über Wolf herzuziehen. Stattdessen beugte sie sich vor und zischelte: „Sie sollten besser vorsichtig sein, Miss Weltverbesserer, oder Sie bekommen noch große Probleme.“
Mary lehnte sich ebenfalls vor, mit zusammengepressten Lippen. „Drohen Sie mir etwa?“
„Mama, bitte.“ Der junge Mann an Dotties Seite zupfte hektisch an ihrem Ärmel.
Dottie drehte sich zu ihm um, und sofort veränderte sich ihre Miene. Sie zog sich zurück, aber nicht, ohne Mary noch verächtlich hinzuschleudern: „Denken Sie an meine Worte.“ Damit stapfte sie steif davon.
Ihr Sohn Bobby rang erregt die Hände und rannte seiner Mutter ungelenk nach. Mary bereute, dass sie es zu dieser hässlichen Szene hatte kommen lassen. Wenn man bedachte, was Joe ihr über Bobby erzählt hatte, hatte der junge Mann schon Probleme genug, ohne dass er so etwas miterleben musste.
Mary atmete ein paarmal tief durch, um sich wieder zu fassen. Doch fast hätte sie die Beherrschung erneut verloren, als sie sich umdrehte und feststellen musste, dass sie von allen angestarrt wurde. Offensichtlich hatte jeder dieses unerfreuliche Gespräch belauscht, und die Gesichter spiegelten schockiertes Entsetzen und ärgerliche Verachtung wider. Innerhalb einer Stunde würde die ganze Stadt Bescheid wissen, dass zwei der Lehrerinnen sich wegen Wolf Mackenzie gestritten hatten. Mary stöhnte innerlich auf. Ein weiterer Skandal war genau das, was Wolf jetzt nicht brauchen konnte.
Im nächsten Gang traf Mary auf Cicely Karr. Da ihr die Kommentare von Cicely auf der Schulversammlung noch im Ohr klangen, konnte Mary sich nicht zurückhalten zu sagen: „Ich habe übrigens einen Brief von Senator Allard erhalten, Mrs. Karr. Er hat seine Empfehlung für Joe Mackenzie ausgesprochen.“ Sie wusste selbst, wie herausfordernd sie klang.
Zu ihrem Erstaunen schien Mrs. Karr freudig überrascht. „Wirklich? Sieh einer an, wer hätte das gedacht! Mir war gar nicht klar, was für eine Ehre das ist, bis Eli es mir erklärt hat.“ Doch dann wurde sie ernst. „Aber jetzt ist diese schreckliche Sache passiert. Ich ... ich habe zufällig Ihr Gespräch mit Dottie Lancaster mit angehört, Miss Potter. Sie können sich nicht vorstellen, wie es vor zehn Jahren war. Die Leute hier hatten Angst und waren unglaublich wütend, und jetzt fängt der gleiche Albtraum wieder an.“
„Für Wolf Mackenzie ist es auch ein Albtraum“, erwiderte Mary hitzig. „Er saß im Gefängnis für ein Verbrechen, das er nie begangen hat. Er wurde rehabilitiert, und doch ist er der Erste, den der Sheriff zur Vernehmung
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