Das Land der MacKenzies
dringend, mich von weißen Frauen fernzuhalten, Süße. Und genau das werde ich tun. Also, fahr nach Hause und bleib dort. Ich will dich nicht mehr auf meinem Berg sehen."
„Da warst du in der Scheune aber noch ganz anderer Meinung", hielt sie ihm wütend vor, warf einen Blick auf Joe und wurde rot. Joe hatte fragend eine Augenbraue hochgezogen und sah seltsam zufrieden mit sich aus. Mary beschloss, das zu ignorieren, und wandte sich wieder Wolf zu. „Ich kann nicht fassen, dass du dir von diesem vertrottelten Sheriff Vorschriften machen lässt."
Er kniff die Augen zusammen. „Vielleicht hast du es noch nicht begriffen ... es fängt alles wieder von vorn an. Es ist vollkommen gleichgültig, dass Wally Rasco mein Alibi bestätigt hat. Jeder wird wieder an das denken, was vor zehn Jahren passiert ist."
„Und davon haben sie dich auch freisprechen müssen. Oder zählt das nicht?"
„Für manche“, gab er zu. „Aber nicht für die meisten. Sie haben alle Angst vor mir und misstrauen mir. Wahrscheinlich werde ich in keinem Geschäft der Stadt mehr bedient, solange dieser Dreckskerl nicht gefasst worden ist. Und jede weiße Frau, die auch nur mit mir redet, läuft Gefahr, geteert und gefedert zu werden."
Das war es also. Er versuchte, sie zu beschützen. Sie schaute ihn aufgebracht an. „Wolf, ich weigere mich, mein Leben nach den Vorurteilen anderer zu gestalten. Ich finde es nett, dass du mich beschützen willst, aber ..."
Sie hörte das Klacken, als er die Zähne zusammenbiss. „Tust du das, ja? Dann geh nach Hause. Und bleib zu Hause."
„Für wie lange?"
Er wich ihrer Frage mit einer vagen Antwort aus. „Ich werde immer ein Halbblut sein."
„Und ich werde immer sein, was ich bin. Ich habe dich nie darum gebeten, ein anderer zu werden." Kummer schlich sich in ihre Stimme, Sehnsucht stand in ihren Augen.
Nie zuvor hatte eine Frau ihn mit solchen Augen angesehen, und die Wut in ihm wuchs, weil er sie nicht an sich ziehen und in die Arme nehmen konnte, weil er nicht der ganzen Welt kundtun konnte, dass sie die Seine war. Die Warnung des Sheriffs war deutlich gewesen, Wolf wusste, dass die Feindseligkeit ihm gegenüber auf Mary übergehen würde. Er war nicht mehr nur um ihre Stelle besorgt. Der Verlust eines Jobs war nichts im Vergleich zu dem, was sie würde ertragen müssen. Sie würde in ihrem eigenen Heim terrorisiert, ihr Besitz würde zerstört werden. Man würde sie in aller Öffentlichkeit anspucken, vielleicht sogar angreifen. Sie wäre jedem hilflos ausgeliefert.
„Ich weiß“, sagte er, und trotz aller Vorsätze strich er ihr über das Haar. „Geh nach Hause, Mary. Wenn das hier vorbei ist ...“ Er unterbrach sich. Er wollte keine Versprechen machen, die er vielleicht nie würde halten können. Und doch waren seine Worte genug gewesen, um einen Hoffnungsfunken in ihre Augen zu zaubern.
„Nun gut“, murmelte sie und nahm seine Hand. „Übrigens, ich denke, du solltest dir das Haar kurz schneiden lassen.“
Er blickte sie verdutzt an. „Wieso?“
„Du willst, dass ich mein Haar offen trage, und ich möchte, dass du dir einen Haarschnitt machen lässt.“ Sie bedachte ihn mit einem taxierenden Blick. „Du trägst es nur lang, damit die Leute nie vergessen, dass du Indianer bist. Also lass es dir schneiden.“
„Kurze Haare machen mich nicht weniger zu einem Indianer.“
„Lange Haare machen dich nicht mehr zu einem Indianer."
Sie stand da, stur und entschlossen, als würde sie bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag dort stehen bleiben. Es sei denn, er willigte ein. „Also gut, ich lasse es schneiden."
„Fein." Lächelnd stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf den Mundwinkel. „Gute Nacht. Gute Nacht, Joe."
„Gute Nacht, Mary."
Als sie gegangen war, fuhr Wolf sich müde mit den Fingern durchs Haar. Er konnte nicht fassen, dass er gerade zugestimmt hatte, es abschneiden zu lassen. Er sah auf und erkannte, dass Joe ihn unbewegt beobachtete.
„Was machen wir jetzt?", fragte der Junge.
„Was immer nötig ist", kam die tonlose Antwort.
Als Mary am nächsten Morgen einkaufen ging, fielen ihr die kleinen Grüppchen im Lebensmittelladen auf. Es waren Frauen, die flüsternd die Köpfe zusammensteckten. Der Name des Opfers war durchgesickert, es handelte sich um Cathy Teele, deren jüngere Schwester in Marys Klasse war. Die gesamte Teele-Familie war entsetzt, so viel konnte Mary dem Geraune entnehmen.
Beim Regal mit Mehl und Zucker traf Mary auf Dottie Lancaster,
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