Das Land der MacKenzies
Röte stahl sich auf ihre Wangen. „Weil du nicht so bist wie der Rest von uns.“
Ein grimmiger Zug legte sich um seinen Mund. „Ja, ich weiß, ich bin ein Halbblut."
„Das meinte ich nicht", fauchte Pam. „Es ist nur ... du bist irgendwie viel reifer als wir. Ich weiß, dass wir gleich alt sind, aber du bist schon richtig erwachsen. Wir alle sind einfache Leute, wir werden hierbleiben und das Land bearbeiten, so wie schon unsere Familien vor uns. Wir werden Leute von hier heiraten oder aus einer Gegend, die genauso ist wie unsere hier, werden Kinder großziehen und mit unserem Leben zufrieden sein. Aber du bist anders. Du wirst auf die Akademie gehen und nie wieder zurückkommen, zumindest nicht, um zu bleiben. Vielleicht auf einen Besuch, aber mehr nicht."
Es überraschte ihn, dass sie es so genau beschrieb. Im Vergleich zu den anderen Kindern hatte er sich immer etwas anderes erträumt. Er wusste auch, dass er nicht die Ranch übernehmen würde. Er gehörte in die Lüfte, um seinen Platz dort oben mit dem Dunststreifen einer Mach-2-Maschine zu markieren.
Auf der Fahrt zur Tanzhalle schwiegen sie beide. Als Joe seinen Truck auf dem Parkplatz zu den anderen Autos stellte, wappnete er sich für das, was ihn erwarten mochte.
Er war auf alles vorbereitet - nur nicht auf das, was ihn dort erwartete. Als er und Pam die alte Halle betraten, die für Tanzveranstaltungen benutzt wurde, schien jeder für einen Sekundenbruchteil zu verharren, dann wurden die Gespräche wieder aufgenommen. Pam legte ihre Hand in seine und drückte seine Finger.
Die Band spielte kurz darauf auf, die ersten Paare sammelten sich auf der Tanzfläche. Pam zog Joe in die Mitte und lächelte ihn an. Er erwiderte ihr Lächeln und bewunderte insgeheim ihren Mut, bevor er die Arme um sie legte und sich langsam mit ihr zum Takt der Melodie zu bewegen begann.
Sie sprachen nicht. Er hatte so lange darauf gewartet, sie zu halten, dass ihm das Gefühl völlig ausreichte. Er konnte ihr zartes Parfüm riechen, tastete nach ihren seidigen Haaren und spürte, wie ihre Schenkel beim Tanzen sich an seinen rieben. Wie alle jungen Menschen seit Anbeginn der Zeit, verloren sie sich in ihrer ganz eigenen Welt.
Die Wirklichkeit allerdings holte sie ein, als irgendjemand verärgert „dreckiger Indianer" murmelte. Joe versteifte sich und suchte sofort nach demjenigen, der das gesagt haben mochte.
Doch Pam sagte nur: „Joe, bitte", und drängte ihn still, weiterzutanzen.
Als die Musik verklang, stellte sich ein Junge auf einen Stuhl, winkte und rief: „Hey, Joe, Pam! Hier drüben!"
Joe konnte sich das Grinsen nicht verkneifen, als er in die Richtung schaute, aus der der Ruf gekommen war. Die Schüler der drei Klassen, die Mary unterrichtete, saßen zusammen um einen großen Tisch herum. Zwei Stühle waren für Pam und Joe freigehalten worden. Alle winkten und johlten.
Der Abend war gerettet. Joe und Pam wurden in den Kreis aus Lachen und guter Laune eingeschlossen. Joe tanzte mit jedem Mädchen aus der Gruppe. Die Jungen redeten über Pferde, Rinder, Ranchs und Rodeos und stellten sicher, dass keines der Mädchen lange auf seinem Stuhl sitzen blieb.
Joe und Pam gingen, bevor der Tanzabend zu Ende war. Joe wollte Pam nicht zu spät nach Hause bringen. Auf dem Weg zu seinem Truck schüttelte Joe den Kopf. „Ich kann‘s kaum glauben“, meinte er leise. „Wusstest du, dass sie alle da sein würden?“
Pam verneinte es. „Aber alle wussten, dass ich dich gefragt hatte. Wahrscheinlich wusste es die ganze Stadt. Es hat Spaß gemacht, nicht wahr?“
„Ja“, stimmte er zu. „Aber es hätte auch anders ausgehen können. Wenn die Jungs nicht gewesen wären ...“ „Und die Mädchen!“, warf sie ein.
„Ja, die auch. Die anderen hätten mich hinausgeworfen.“
„Hat aber niemand. Und beim nächsten Mal wird es noch besser.“
„Gibt es denn ein nächstes Mal?“
Pam sah auf einmal unsicher aus. „Du ... du kannst ja trotzdem zum Tanz kommen, auch wenn du nicht mit mir gehen willst.“
Joe öffnete lachend die Beifahrertür und hob Pam auf den Sitz. „Ich bin aber gern mit dir zusammen.“
Auf halber Strecke zurück in die Stadt legte Pam eine Hand auf seinen Arm. „Joe?“
„Was?“
„Möchtest du ... äh, weißt du vielleicht, wo man an-halten kann?“ Sie brachte die Worte vor Verlegenheit kaum über die Lippen.
Er wusste, er sollte der Versuchung widerstehen, aber er konnte es nicht. Bei der nächsten Abzweigung bog er auf einen
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