Das Land der Pelze
Winterszeit gewöhnten Thiere nahmen auch seitens ihrer Herren keine Dienste in Anspruch. Es war also gar kein Grund vorhanden, sich der Strenge der Atmosphäre auszusetzen, und wohl schon genug, eine Temperatur auszuhalten, welche auch die Verbrennung von Holz und Fett kaum erträglich machte. Aller Vorsicht ungeachtet sammelte sich endlich doch Feuchtigkeit in dem gar nicht gelüfteten Raume an und schlug sich an den Balken als glänzende, von Tag zu Tag an Stärke zunehmende Schicht nieder. Die Condensatoren waren verstopft, und einer derselben sprang sogar unter dem Drucke des gefrierenden Wassers.
Unter solchen Verhältnissen dachte Lieutenant Hobson gar nicht daran, das Brennmaterial zu schonen. Er verschwendete es sogar, um die Temperatur etwas zu heben, welche, sobald die Feuer sich nur ein wenig minderten, bis auf - 9° herab ging. Alle Wachthabenden, welche sich von Stunde zu Stunde ablösten, hatten Befehl, wirklich zu wachen und die Feuer gut zu unterhalten.
»Das Holz wird uns bald ausgehen, sagte da eines Tages Sergeant Long zum Lieutenant.
– Was? Uns ausgehen? rief Jasper Hobson.
– Ich will sagen, daß der Vorrath im Hause sich bald erschöpfen könnte, und daß wir uns aus dem Schuppen werden mit neuem versehen müssen. Ich weiß aber aus Erfahrung, daß man, wenn man sich bei dieser Kälte an die Luft wagt, auch das Leben auf das Spiel setzt.
– Ja, erwiderte der Lieutenant, es ist ein Fehler, den wir begangen haben, den Schuppen nicht im Anschluß an das Haus zu bauen. Ich bemerke das jetzt etwas spät und durfte es eigentlich, wenn wir über dem siebenzigsten Breitengrade überwintern wollten, nicht vergessen. Indeß, was geschehen ist, ist geschehen. Sagen Sie mir, Long, wie viel Holz haben wir noch im Hause?
– Höchstens so viel, um die Oefen noch zwei bis drei Tage heizen zu können, antwortete der Sergeant.
– Hoffen wir, versetzte Lieutenant Jasper Hobson, daß sich die Temperatur bis dahin ermäßigt hat, und daß wir ohne Gefahr über den Hof gehen können.
– Daran zweifle ich, Herr Lieutenant, sagte Sergeant Long, den Kopf schüttelnd. Der Himmel ist klar, der Wind hält sich nördlich, und ich würde mich nicht wundern, wenn diese Kälte noch vierzehn Tage, d.h. bis zum Neumond anhielte.
– Nun, mein wackerer Long, entgegnete der Lieutenant, vor Kälte werden wir nicht umkommen, und wird es nöthig, sich ihr auszusetzen …
– So wird es geschehen, Herr Lieutenant«, schloß Sergeant Long. Jasper Hobson drückte dem Sergeanten, dessen Ergebung ihm bekannt war, die Hand.
Man konnte glauben, daß Jasper Hobson und Sergeant Long übertrieben, als sie die plötzliche Einwirkung einer solchen Kälte für hinreichend ansahen, den Tod zu veranlassen. Doch stand ihnen, die an das herbe Polarklima gewöhnt waren, eine lange Erfahrung zur Seite. Sie hatten kräftige Menschen, die sich unter ähnlichen Umständen hinaus gewagt hatten, wie vom Schlage getroffen niederstürzen sehen; der Athem war ihnen ausgegangen und man hatte sie todt gefunden. Diese Thatsachen sind, so unglaublich sie scheinen, bei verschiedenen Durchwinterungen bestätigt worden. Gelegentlich ihrer Reise an der Küste der Hudsons-Bai im Jahre 1746 haben William Moor und Smith mehrere Fälle der Art erlebt, und einige ihrer Begleiter, die von der Kälte wie vom Blitze getroffen waren, dabei verloren. Unbestreitbar heißt es sich einem plötzlichen Tode aussetzen, wenn man einer Temperatur trotzen will, deren Intensität die Quecksilbersäule nicht mehr zu messen vermag.
So war die beunruhigende Lage der Insassen des Fort-Esperance, als ein unerwarteter Zufall diese noch verschlimmern sollte.
Einundzwanzigstes Capitel.
Die großen Polarbären.
Das einzige der vier Fenster, welches nach dem Hofe ging und dessen Läden man nicht geschlossen hatte, war dasjenige, welches sich am Ende des Vorraumes befand. Um aber durch die mit einer dicken Eiskruste bedeckten Scheiben sehen zu können, mußte man dieselben vorher mit siedendem Wasser abwaschen. Das wurde auch auf des Lieutenants Befehl mehrere Male des Tages vorgenommen, und wenn man dann die Umgebung des Cap Bathurst in’s Auge faßte, beobachtete man auch gleichzeitig den Zustand des Himmels und den Stand des draußen angebrachten Thermometers.
Am 6. Januar, gegen elf Uhr Morgens, rief da der Soldat Kellet, der gerade mit der Beobachtung betraut war, schnell den Sergeanten und zeigte auf unerkennbare Massen, die sich im Schatten durcheinander
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