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Das Land des letzten Orakels

Titel: Das Land des letzten Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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Lily einfältig. »Weg. Nicht irgendwohin. Wir hatten gehofft, ein Wunder zu finden, aber da dies nicht geklappt hat« – er schaute von oben auf sie herab – »müssen wir einfach weitergehen, bis wir ein anderes finden.«
    »Und was werdet ihr tun, wenn ihr ein anderes gefunden habt?«, fragte Lily, mittlerweile gewohnt, nicht weiter auf die Beleidigungen zu achten.
    Septima schaute nachdenklich auf ihre Fingernägel hinab und weigerte sich demonstrativ, eine Antwort zu geben. Lily lehnte sich an die Wand. Wie konnte sie hier bloß weiterkommen?
    »Sagt mal, habt ihr beiden jemals etwas vom Mitternachts-Statut gehört?«
    Septimas Kopf schnellte hoch. »Was weißt du davon?«, fragte sie argwöhnisch.
    Lily lächelte. »Eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass ich darin erwähnt werde. Und ich bin bereit, mein Wissen zu teilen.«
    Tertius runzelte die Stirn und beugte sich näher zu Septima vor. Er flüsterte, doch weil er laut genug flüstern musste, damit Septima ihn verstand, ohne dass sie einander allzu nahe kamen, verstand auch Lily jedes Wort.
    »Das ist eine erstklassige Information. Nur das Orakel weiß etwas über das Statut.«
    »Sie könnte lügen«, entgegnete Septima mit zornigem Blick. »Mitgliedern des Orchesters darf man nicht trauen, das weiß jeder.«
    Frustriert raufte sich Tertius die Haare. »Sie braucht uns. Denk doch mal nach! Wenn wir etwas herausfinden, was das Orakel nicht gewusst hat …«
    »Wer ist das Orakel?«, wollte Lily wissen.
    Verblüfftes Schweigen. Septima schaute, als würden ihr die Augen aus dem Kopf treten.
    »Das Orakel ist … das Orakel«, sagte sie wie betäubt. »Sie weiß alles. Es heißt, wenn man ihr etwas sagen kann, was sie nicht weiß, enthüllt sie einem jedes Geheimnis auf der Welt.«
    Lily lächelte. Endlich hatte sie einen Plan vor Augen.
    »Also schön, folgendes Angebot«, sagte sie und trat näher auf die beiden zu, damit sie sich unbehaglich fühlten. »Ihr bringt mich zum Orakel, und bevor ich ihr meine Geheimnisse erzähle, erzähle ich sie euch. Dann teilen wir die Wahrheit. Abgemacht?«
    Erneut wechselten Tertius und Septima Blicke.
    »Du könntest lügen«, sagte Tertius ausdruckslos.
    »Was habe ich zu verlieren?«, erwiderte Lily mit weiterhin ruhiger Stimme. Jetzt konnte sie keinen Rückzieher mehr machen. Dieses Orakel schien auf der Suche nach Antworten ein viel besserer Ansprechpartner zu sein als diese beiden.
    Septima stieß den Atem aus. »Ich hoffe, es lohnt sich«, sagte sie. »Wir nehmen die Schienen. Der Dirigent wird nicht damit rechnen, dass wir von dieser Seite kommen.«
    Tertius nickte und packte die Essensreste ein. »Das ist ein mehrtägiger Marsch. Komm schon, Wunder.« Entschlossen setzte er sich in Bewegung.
    »Darf ich nur noch eine weitere Frage stellen?«, wollte Lily wissen, während sie folgte.
    Septima starrte sie zornig an. »Was?«, fragte sie mürrisch.
    »Was sind die Schienen?«
    Septimas Lippen verzogen sich zu einem selbstgefälligen Grinsen. »Etwas, das du nie vergessen wirst«, sagte sie.
    Drei Tage später erreichten sie die Schienen.
    Auf den ersten Blick wirkten sie nicht besonders beeindruckend. Es waren nicht mehr als zwei parallel verlaufende Metallstränge, die sich inmitten eines flachen Stollens dahinzogen.
    »Ist es das?«, fragte Lily, bemüht, sich ihre Enttäuschung nicht anhören zu lassen.
    Septima nickte geistesabwesend. »Die Schienen durchziehen sämtliche Stollen«, erklärte sie. »Sie reichen sogar bis an den Rand der Kakophonie, nahe der Stelle, an der wir dich gefunden haben.«
    »Also, ich muss schon sagen, unvergesslich würde ich das hier nicht nennen …«, murmelte Lily, während sie weiter durch den Stollen gingen.
    Nach einer Weile bemerkte Lily, dass die Stollen breiter wurden. Die Luft im Stollen begann sich zu regen und blies ihr die Strähnen ihres dunklen Haares über das Gesicht. Dann hörte sie das Geräusch. Es war ein surrendes, rasselndes Geräusch, so ganz anders als die gespenstischen Echos der Kakophonie. Lily konnte vor sich einen kalten Lichtschein ausmachen.
    »Still jetzt«, sagte Tertius und senkte den Blick. Seine dunklen Augen schauten hart und ernst. »Wir sind kurz vor dem Schienenknoten«, sagte er. »Folge uns. Rede nicht; zieh keine Aufmerksamkeit auf dich. Tu genau das, was wir tun. Und denk daran, dafür bist du uns etwas schuldig.«
    Lily nickte und hielt sich bedeckt.
    Dann sprangen Tertius und Septima mit unerwarteter Schnelligkeit nach vorn und in das

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