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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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auf dem Hügel frischer Erde.
    Einen Augenblick lang trat Stille ein. Dann sagte Tom: »Verdammt, ich wünschte, ich hätte daran gedacht. Aber weshalb hast du nicht die übliche Grabesrede gehalten, Peter?«
    Weil ich nie eine gehört hatte.
    Es fing an zu regnen.
    Den ganzen Vormittag lang nieselte es, ein kalter, grauer Regen, der das Marschieren zu einem Elend machte, vor allem, da der Regen unmittelbar aus dem Westen in unsere Gesichter geweht wurde. Nicht dass es den Wilden etwas auszumachen schien. Jeder Schritt brachte sie näher an die Heimat, und sie marschierten singend durch den Schlamm, selbst wenn ein Fuß ausglitt und der Soldat auf dem Hintern landete. Seine Gefährten lachten und mokierten sich über ihn, zumindest wenn ihre Hauptleute außer Hörweite waren. Ich lernte einige etwas rauere Worte auf Tarekisch.
    Bei den Leuten aus dem Königinnenreich war es anders. Die Diener, die nun Sklaven waren, trotteten neben der einen verbliebenen Traghilfe auf Stangen her. Spannung zerrte an jeder Faser in den Gesichtern der Diener, während sie ihre Köpfe im Regen beugten. Was ist das für ein Ort, an den wir gehen? Was wird dort mit uns geschehen? Für mich war die Frage drängender: Was würde heute Abend mit mir geschehen, wenn Tarek nach mir schickte, um eine Unterweisung zu erhalten, an die er nicht mehr glaubte?
    »Du bist still, Peter«, sagte Tom. Er ging neben mir, das Seilstück zwischen seinen Fußgelenken verkürzte seine Schritte, und Lady Margaret war offensichtlich schon aus seinen Gedanken verschwunden. »Jee verschwindet alle zehn Minuten, Alysse marschiert nicht bei den Frauen, und du hast ein Gesicht wie eine zerstampfte Kartoffel, und… Peter!« Sein Gesicht, in das Regen aus seinem hellen Haar troff, hellte sich auf, und er beugte sich verschwörerisch zu mir. »Ist heute die Nacht? Wirst du… du weißt schon?« Er tat so, als würde er Bier trinken, und dann spielte er mit einer Dramatik, die ihn in ein Theater oder in den Kerker hätte befördern können, vor, wie er erstickte und starb.
    »Hör damit auf, Tom.«
    »Ja, schon gut. Aber ist es so? Ist heute die Nacht?«
    »Ich weiß nicht.« Die Worte waren allzu wahr. Ich wusste nichts mit Sicherheit. Obwohl ich eines vermutete: Es war nicht Tarek, der als Nächster sterben würde.
    »Aber du denkst, dass…«
    »Oh, halt den Mund, Tom!«
    Er warf mir einen finsteren Blick zu und sagte in einem verletzten Tonfall: »Wie du meinst. Hier kommt Jee– du würdest es vermutlich eher ihm erzählen.« Tom ging davon, ganz verletzte Würde und tropfnasses Haar.
    Jee glitt neben mich und ging gleichauf mit mir. Das Blut auf seinem Gesicht war zu frischem Schorf getrocknet, leuchtend und sauber im Regen. »Ich habe sie gesehen«, sagte er mir jetzt.
    »Du hast Prinzessin Stephanie gesehen?«
    »Ja. Sie hat den Stoff zur Seite geschoben und herausgeschaut. Sie weint immer noch.« Und dann, sehr leise, fragte er: »Ihre Nana wird als Nächste sterben, ja?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. Aber ich wusste es.
    »Dann, nach der Nana, wirst du im Schlaf sterben?«
    »Nein.« Aber die Ehrlichkeit gewann die Oberhand. »Ich sterbe eher durch Tareks Hand. Hör mir zu, Jee. Wenn das geschieht, musst du das Lager verlassen. Nimm Tom mit, wenn du kannst, aber wenn nicht, geh allein. Geh zurück über die Berge.« Was sagte ich da? Trug ich einem Zehnjährigen auf, die Westlichen Berge zu überqueren, wenn der Winter näher rückte? Aber ich hatte nichts mehr, was ich ihm sonst bieten konnte. »Flieh. Geh zurück zu Maggie.«
    »Ich darf sie nicht verlassen«, sagte er.
    »Ja, das stimmt– du darfst Maggie nicht verlassen. Du musst…«
    »Nicht Maggie. Die Prinzessin.« Er blickte zu mir auf, Regen strömte ihm übers Gesicht. »Ich darf die Prinzessin nicht bei diesen verdammten Wilden lassen.«
    Liebe. Sogar bei einem Zehnjährigen blendete sie die Sinne. Wie es mir mit Cecilia geschehen war, und Maggie mit mir. Dennoch sah ich den Kampf in Jees aufblickendem Gesicht. Er liebte Maggie. Er liebte Stephanie.
    »Jee…«
    Aber er war weg, ein kleiner Schatten, der durch den Regen glitt.
    Einige Stunden später hielten wir zum Mittagessen an, obwohl es keinen Hauch von Sonne gab, um sicher sein zu können, dass es tatsächlich mitten am Tag war. Wir aßen nassen Haferschleim und schimmligen Käse. Ich legte mich hin, in meinen Umhang eingewickelt, und schlief trotz des Nieselns sofort ein.
    »Sind Träume ein Pass ins Hexenland?«, hatte mich Tarek

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