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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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ich sie anschaute. »Tom, es war alles, was ich tun konnte.«
    »Aber sie ist ein kleines Mädchen!«
    »Es war alles, was ich tun konnte.«
    Jee lag noch keuchend da. Ich kroch zu ihm und berührte ihn an der Schulter. Seine dunklen Augen richteten sich auf mich. Langsam kam wieder Farbe in sein Gesicht, und sein Atem ging regelmäßiger. Dann fing er an zu weinen.
    Ich nahm ihn in die Arme. »Ruhig, Jee. Sie konnte nichts dafür. Sie wollte dir nichts Böses; es war eine andere, die durch ihre Träume gewirkt hat. Still jetzt.«
    Er stieß mich von sich, beschämt darüber, vor Männern zusammengebrochen zu sein. Zorn war besser als Angst, daher wurde er zornig. »Welche andere?«, wollte er wissen. »Du bist die Hexe. Was sonst aus dem Hexenland tötet unsere Prinzessin?«
    Tom, der die bewusstlose Stephanie wiegte, sah mich scharf an.
    Ich sagte: »Sie ist die Königin der… der Treulosen. Sie lebt hier, im Land der Toten. Und sie ist meine Halbschwester.«
    Stille.
    Die Stille dehnte sich, während Tom und Jee mich anstarrten. Und dann sprach eine weitere Stimme in der Lautlosigkeit:
    »Das wird nichts nützen, Roger. Stephanie wird irgendwann wieder zu Bewusstsein kommen.«
    Ich wirbelte herum, und da stand sie, am Rande eines Kiefernhains, und mit ihr ein dunkler Nebel, der auf uns zuraste, ihre schlanke Gestalt und ihre glänzende Krone verbarg. Der dunkle Nebel verbarg auch die drei Männer, die ich bei ihr gesehen hatte. Innerhalb eines Augenblicks hatte uns dieser dunkle Nebel erreicht, und ich konnte gar nichts mehr sehen. Aber ich konnte das Lachen meiner Schwester hören, das aus dem Nebel erklang, hoch und schrill und wahnsinnig.

50
    Ich kroch durch den Nebel, der so dicht war, dass ich all meinen Orientierungssinn verlor. Meine heile Hand griff in die Luft, aber mein Handstumpf stieß schmerzhaft gegen etwas Festes und Hartes: Tom. Ich schrie: »Hast du die Prinzessin?« Aber ehe er antworten konnte– es blieb keine Zeit, wo doch Zeit alles gewesen war, was wir bis vor einem Augenblick gehabt hatten–, spürte ich Jees Arme um meine Taille. Tom hatte den schlaffen Körper Stephanies gehalten; ich hoffte, er tat es noch immer…
    Ich klammerte mich an seinen massigen Körper und biss mir auf die Zunge, und wir betraten alle den Pfad der Seelen. Vielleicht erwartete meine Schwester das, denn sie lachte weiter, das letzte Geräusch, das ich hörte vor der
    Dunkelheit …
    Kälte …
    Erstickender Dreck in meinem Mund …
    Würmer in meinen Augen …
    Erde, die meine fleischlosen Arme und Beine umschloss …
    Und wir waren durch, standen kniehoch im Schnee, leuchtendes Sonnenlicht stach uns in die Augen, und ein eisiger Wind wehte durch die kahlen Bergbäume.
    Tom rief etwas, aber es wurde vom Wind fortgerissen. Beinahe erwartete ich, dass meine Schwester neben uns auftauchte. Aber das konnte sie niemals tun. Sie war im Land der Toten gestrandet, und wir waren sicher, ich hatte es getan, ich hatte Jee und Tom und Stephanie in körperlicher Gestalt zurückgebracht.
    Eine weitere Gestalt materialisierte sich im Schnee. Noch eine. Dann eine dritte.
    Die drei Männer, die bei meiner Schwester gewesen waren. Hisafs, die Messer hielten. Sie standen weniger als zehn Schritte von dem Ort entfernt, an dem wir uns im schneidenden Wind aneinanderkauerten. Tom stieß Stephanie in Jees Arme und sprang vor mich. Seine gestohlenen Waffen waren im Land der Toten zurückgeblieben, zusammen mit unseren Umhängen, aber er hatte seine eigenen beiden Messer am Gürtel. Er warf eines auf den Mann, der ihm am nächsten war.
    Der Hisaf verschwand.
    Er hatte den Pfad der Seelen betreten, natürlich. Ich sah Toms Miene durch die weiße Wolke seines Atems, als sich das Messer in eine Schneewehe bohrte. Der zweite Hisaf stand da, grinste ihn an, dann mich. Er rief etwas, das ich im Wind nicht hören konnte. Er war älter als mein Vater, hatte einen dichten schwarzen Bart, einen kahlen Kopf, Augen, die…
    Ehe Toms zweites Messer ihn treffen konnte, verschwand der Hisaf.
    Wie lange? Wie lange, um durch das Grab zu gehen, Luft zu holen, sich einen leichten Schmerz zuzufügen, dann wieder durch die zerfallende Barriere aus Kälte und Dunkelheit zu gehen und zu uns zurückzukehren, um…
    »Hinter dir!«, schrie Jee. Er warf sich zu Boden über Stephanie, schirmte sie mit seinem Körper ab. Tom wirbelte herum. Der dritte Hisaf umkreiste Tom nun, das Messer in der Hand. Ich schnappte mir eines von Toms Messern aus dem Schnee und warf

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