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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Schlafkammer des Hauses, wieder an den Stuhl gefesselt, und das geknotete Seil war um meinen Kopf gezurrt. Schmerzen rund um meine Augen fielen bei meiner Rückkehr über mich her, und ich brauchte einen Augenblick, um meine blutgetränkte Sicht zu klären. So viel Blut. Und dann sah ich, dass es überhaupt nicht meines war. Nur ein kleiner Teil davon war von mir.
    Die beiden Soldaten der Wilden, der Sänger-Krieger und sein Leutnant, lagen auf dem Boden. Ich konnte den Leutnant deutlich sehen, aber der ehemalige Sänger lag größtenteils hinter dem Bett, wo er hingefallen sein musste. Auf der Flickendecke war das Wildblumenmuster mit Blutspritzern übersät. Dem Leutnant war die Kehle zu blutigen Fleischstücken zerfetzt worden. Die Hände hatte er hilflos über den Kopf gehoben, und ein Arm stand in einem grotesken Winkel von seinem Körper ab. Neben ihm saß Schatten und wedelte mit dem Schwanz.
    Es dauerte einen Augenblick, ehe ich etwas sagen konnte. Als ich etwas hervorbrachte, war meine Stimme belegt und hoch. »Schatten… hast du…?«
    Natürlich hatte er. Der riesige Hund starrte mich erwartungsvoll an, er wollte ein Lob. Seine grünen Augen leuchteten. Blut befleckte seinen grauen Pelz. Im trüben Licht der einzelnen Talgkerze auf der Kommode sah das Blut beinahe schwarz aus, ölig und zäh wie Teer.
    Mir war schlecht, aber ich war auch erleichtert und dankbar. Am tiefsten saß jedoch der Schreck. Wo waren die anderen beiden Wilden, diejenigen, die mich hierhergebracht hatten? Sie konnten jeden Augenblick die Stufen heraufpoltern, mit gezogenen Gewehren, und ich glaubte, dass nicht einmal Schatten es mit Gewehren würde aufnehmen können. Weshalb waren sie nicht schon hier oben? Sie mussten doch den Lärm gehört haben– ein Hund kann zwei Männer nicht töten, ohne Lärm zu verursachen.
    Jemand stieg die Stufen herauf.
    »Schatten, los! Töten!«
    Der Hund wedelte noch stärker mit dem Schwanz.
    Eine Gestalt füllte den Eingang aus. Alles, was ich sehen konnte, war ein Umriss, und dann betrat er vorsichtig den Raum.
    Kein Wilder. Es war ein Junge etwa in meinem Alter, mindestens sechseinhalb Fuß groß, sein beträchtlicher Umfang sogar noch durch das Gepäck vergrößert, das er sich auf die Schultern geschnallt hatte. Mit blondem Haar und Stoppelbart war er wie der Sohn eines reichen Bauern in ein Wollhemd und Hosen gekleidet, trug dicke Lederstiefel. In einer riesigen Hand hielt er ein Schlachtmesser. Wir starrten einander einen Augenblick lang an, er ragte riesig über mir auf, ehe er das geknotete Seil um meinen Kopf löste. Ich keuchte vor Erleichterung auf. Das Messer des Jungen schnitt durch die Seile, die mich an den Stuhl fesselten.
    Schließlich sprach er. »Wer bist du?«
    Wie sollte ich darauf antworten? Ich gab ihm die einfachste Antwort: »Peter Forest.«
    »Ich habe gehört, wie… ich habe die Schafe zurück von der Hochweide geholt und… Das hat doch nicht dein Hund getan?« Er machte eine Geste zu den toten Soldaten.
    Schatten sprang herbei und leckte ihm die Hand. Der kurze Schwanz des Hundes wedelte. Ich sagte: »Hilf mir auf– bitte.«
    Er zögerte, beschloss aber offenbar, dass ich harmlos war. Für jemanden mit seiner Masse und Stärke, bewaffnet mit einem Schlachtmesser, war ich es auch bestimmt. Mit einer Hand zog er mich auf die Beine, aber ich konnte nicht stehen. Ich brach auf dem Bett zusammen. Der Gestank nach frischem Blut füllte den Raum.
    Ich sagte drängend: »Da sind zwei weitere Wilde…«
    »Liegen tot in der Küche. Die Straßen werden von noch mehr Soldaten gehalten. Bist du der Grund, weshalb sie Almsburg eingenommen haben?«
    »Nein.« Oder doch? Es schien möglich, aber ich wollte diesem Fremden, der mich mit so offener, furchtloser Neugier betrachtete, nichts davon verraten. Ja, furchtlos. Er stand da und streichelte gedankenlos Schattens blutbefleckten Kopf, ohne eine Spur von Besorgnis über die vier Ermordeten zu zeigen, den Hund, der sie getötet hatte, oder die Soldaten des Junghäuptlings, die sein Dorf besetzt hielten.
    »Wenn du nicht der Grund bist, weshalb sie hier sind, weshalb haben sie dich dann gefoltert?« Er starrte meinen Kopf an, wo die blutigen Wunden, die von dem geknoteten Seil geblieben waren, immer noch wie Feuer brannten.
    »Ich weiß nicht«, log ich. »Wie viele Wilde sind denn in… in Almsburg?«
    »Weiß nicht. Ich bin ein paar Tage mit den Schafen meines Vaters auf der Hochweide gewesen. Ich bin bei Dämmerung herabgekommen,

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