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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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hatte, hatten sich meine Eingriffe in der Landschaft widergespiegelt: in Wind, Stürmen, Erdbeben und schließlich einem Riss im Himmel selbst, sodass dort dieses helle und schreckliche Ding brüllend herabgefahren war, das ich nur einen kurzen Augenblick lang gesehen hatte. Der Versuch, den Tod selbst rückgängig zu machen, hatte die Landschaft des Todes monströs verwandelt. Aber das war es nicht, was nun geschah. Der Boden war fest, die Luft genauso reglos, die Wälder so still wie das Grab, das sie tatsächlich waren. Nur der Nebel war anders. Und er war um einiges mehr geworden, seit ich den Pfad der Seelen betreten hatte.
    Behutsam näherte ich mich dem Kreis. Falls sich das durch den schäbigen, schlichten Rock und die faltigen, bloßen Füße bestimmen ließ, die alles waren, was ich sehen konnte, war eine alte Frau von einem der armen Hochlandhöfe die Tote, die mir am nächsten saß. Alte Frauen sind es, die sich am ehesten mit mir unterhalten wollen. Ich steckte die Hand in den dunklen Nebel und legte sie ihr auf den Kopf.
    Sofort riss ich die Hand weg und schrie auf. Ihr Kopf vibrierte. Es fühlte sich an, als würde man die Außenseite eines summenden Bienenstocks berühren. Meine Hand war nicht verletzt, und der Körper der alten Frau ruhte genauso still auf dem Gras wie zuvor.
    »Gevatterin! Wacht auf!« Mit der Spitze meines nassen Stiefels stupste ich ihr Bein an. Nichts. Ich stieß fester dagegen. Nichts. Schließlich trat ich sie, denn ich wusste, dass man den Toten keinen Schmerz zufügen kann, aber obwohl mein Tritt sie umwarf, wachte sie nicht auf. Ihre Hände glitten jedoch aus denen der anderen, die zu ihren Seiten im Kreis saßen.
    Auf einmal lösten sich die Nebelschwaden um die Köpfe auf; was übrig blieb, waren dreizehn Tote, die sich bei den Händen hielten, und eine, die friedlich auf dem Gras lag. Ich konnte jeden deutlich erkennen. Kein Kopf vibrierte. Aber die dunkle Nebelschwade im Mittelpunkt des Kreises fing an, zornig zu summen.
    Dies waren die Zuschauer aus dem Seelenrankenmoor.
    Ich wagte es nicht, mich dem zornigen Nebel in der Mitte zu nähern. Die Wolke konnte sich, soweit ich wusste, nicht von diesem einen Ort fortbewegen, aber was wusste ich schon wirklich über das, was hier geschah? Nichts. Das war neu und besorgniserregend, und es gab niemanden, der mir dabei helfen konnte, es zu verstehen– außer vielleicht meiner Mutter.
    Im Land der Lebenden war das Seelenrankenmoor einen halben Tagesmarsch von dem Ort entfernt gewesen, an dem ich den Pfad der Seelen betreten hatte. Das Moor könnte hier näher sein– oder weiter entfernt. Ich hatte den Pfad der Seelen bald nach Einbruch der Dunkelheit betreten. Mir blieb die ganze Nacht und, falls es nötig sein sollte, der ganze nächste Tag, den ich im Land der Toten verbringen konnte. Mein Körper konnte so lange im Dämmerzustand ausharren. Es war ein Risiko, aber ich war im Dickicht gut vor jeglichen Soldaten der Wilden verborgen, und Wolle würde mich vor vierbeinigen Raubtieren beschützen. Ich umging den Rest des Kreises weiträumig und bewegte mich wieder durch den Nebel nach Süden.
    Es war nicht leicht, die Orientierung zu behalten. Aber als das Land anstieg und die Wälder lichter wurden, war ich sicher, dass ich mich dem Moor genähert hatte. Ich war an zwei weiteren großen Kreisen der Toten vorübergekommen, die sich alle bei den Händen hielten, jeder Kopf von diesem undurchdringlichen, dunklen Nebel umhüllt. Im Mittelpunkt jedes Kreises war eine Schwade mit noch dunklerem Nebel. Ich ging nicht näher an diese Kreise heran.
    Schließlich, nachdem ich stundenlang stetig bergauf gegangen war, wurde der Boden eben und fing an, unter meinen Füßen nachzugeben und bei jedem Schritt zu quietschen. Torf. Ich war im Seelenrankenmoor.
    Eine weitere Stunde marschierte ich und kam dann zum bisher größten Kreis. Einundzwanzig Tote. Abgesehen von seiner Größe sah der Kreis aus wie die drei, die ich in den Unbeanspruchten Landen gesehen hatte. Aber ich wusste, wie Leute im Seelenrankenmoor starben– zumindest jene Leute, die entweder Fremde oder Verwandte waren, die fortgegangen und zurückgekehrt waren. So war Cecilia gestorben.
    Denk nicht daran.
    Und dann sah ich etwas, das alle Gedanken an die Vergangenheit wegwischte. Gestalten bewegten sich im Nebel. Gestalten– wo sich zuvor nichts bewegt hatte außer mir.
    Sie kamen sehr langsam auf mich zu, drei von ihnen, genauso verhüllt wie die reglosen Toten in den

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