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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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und was würde Tom Jenkins tun, wenn er zu dem Schluss kam, dass ich eine Hexe war? Ich glaubte nicht, dass er mich absichtlich verraten würde, aber zwischen seinem Hirn und seinem Mund gab es keine Schranke. Er plapperte immer das Erste aus, was ihm in den Sinn kam. Je weniger er über mich wusste, umso weniger konnte er… irgendwem erzählen.
    Deshalb hatte ich einen Plan ersonnen. Am nächsten Abend setzte ich ihn um.
    Man sollte niemals auf Pläne vertrauen.
    Wir standen an einem Ort, den ich nur allzu gut kannte: Es war das Heimatdorf von Jees Familie.
    Die Hütte, die immer wackelig gewesen war, war inzwischen verlassen. Im hellen Sonnenlicht des Nachmittags hing die Tür schief in den Angeln, halb herausgerissen. Im Dach klaffte ein Loch. Auf den Strohlagern wimmelte es von Spinnen und Läusen, und nicht einmal Ratten fanden genug zu fressen, um sich dazu verleiten zu lassen, hier ein Nest zu bauen.
    »Hier lebt niemand«, sagte Tom und rümpfte angeekelt die Nase.
    »Nein, jetzt nicht mehr«, sagte ich. Aber sie hatten hier gelebt, vor zweieinhalb Jahren war Jee von hier weggelaufen und hatte einen Vater zurückgelassen, der um einiges grausamer war als der von Tom. Hier hatte ich Maggie zurückgelassen, wütend und weinend, um allein ins Seelenrankenmoor zu reisen. Und hier, oder vielmehr am selben Ort im Land der Toten, hatte ich mit Cecilia in den Armen dagelegen, sie tot und ruhig, ohne zu wissen, dass ich sie hielt. Hinter der Hütte stürzte der kleine Wasserfall neben dem Kiefernhain, in dem wir gelegen hatten, immer noch über die Felsen in den flachen kalten Teich.
    »Peter?«, fragte Tom. »Was ist los?« Und dann sagte er mit einer Auffassungsgabe, die für ihn ungewöhnlich war: »Bist du schon einmal hier gewesen?«
    »Ja«, sagte ich und zwang mich dazu, wieder in die Gegenwart zurückzukehren. »Und das Wasser ist trinkbar. Wir sollten den Schlauch füllen.«
    »In Ordnung. Wolle hat heute nicht gejagt– böser Hund! Böser Hund! Aber ich kann es versuchen, obwohl ich vielleicht… Ich glaube, ich rieche wilde Zwiebeln.«
    »Wir brauchen keine«, sagte ich abwesend, immer noch in Gedanken bei der Vergangenheit. »Das getrocknete Fleisch, das du den toten Wilden abgenommen hast, ist schon gut gewürzt.«
    Er hielt an und drehte sich um, um mich anzusehen. »Woher weißt du das?«
    Ich starrte ihn an.
    »Dass das Fleisch der Wilden schon gut gewürzt ist«, fügte er hinzu und runzelte die Stirn. »Hast du es schon einmal gegessen?«
    »Nein, natürlich nicht. George hat es mir erzählt.«
    Tom nickte, wie immer willens, meinen mythischen, abenteuerlustigen Vetter als Fachmann für alles zu akzeptieren. Lügen– ich konnte den Mund nicht aufmachen, ohne meinen Vorrat an Lügen aufzustocken, der inzwischen groß wie ein Berg über mir aufragte. Und nun musste ich noch mehr hinzufügen.
    »Tom, ich will mit dir über George reden.«
    »George?« Er blickte sich um, den schlaffen Wasserschlauch baumelnd in einer Hand, als würde er erwarten, George aus den Bäumen spazieren zu sehen.
    »Ja, George. Erinnerst du dich, dass ich dir erzählt habe, dass George Soldaten der Wilden getötet hat und dass sie deswegen nach mir gesucht haben– damit ich ihnen sage, wo er ist?«
    »Aber du hast es nicht gesagt«, hauchte Tom. »Und du würdest es nie sagen, nicht einmal unter Folter!«
    »Nein, ich habe ihnen nicht gesagt, wo George ist«, bestätigte ich, und wahrere Worte waren niemals geäußert worden. »Aber dir werde ich es sagen. Weil George deine Hilfe braucht.«
    Toms Augen leuchteten. »Was immer es ist!«
    »George plant eine Rebellion gegen die Armee der Wilden. Um gegen sie zu kämpfen. Nicht in einer großen Schlacht, wie es früher in Gloria passiert ist, sondern mit kleinen Überfällen. In der Nacht, und indem er unser überlegenes Wissen über das Land benutzt. Wir können es schaffen, sagt George. Und er braucht Soldaten.«
    »Er will uns haben!«
    »Er will dich, Tom. Ich habe nur eine Hand, weißt du noch? Ich bin als Kämpfer nicht zu gebrauchen.«
    Tom verzog das Gesicht. Ich konnte beinahe sehen, wie sein Gehirn sich langsam drehte wie ein Mühlstein, der schwerfällig spärliche Weizenkörner mahlte. Schließlich sagte er: »Aber du kannst George vielleicht auf andere Weise helfen.«
    Damit hatte er die Würfel zu meinen Gunsten rollen lassen, aber das konnte er nicht wissen. »Ja, das kann ich. Und George hat eine Aufgabe für mich, die ich erledigen muss. Ich kann dir nicht

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