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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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jung gestorben ist. ) Sie würde mir verraten, wie sie gestorben war und weshalb mein Vater mich bei meiner Tante Jo zurückgelassen hatte. ( Aber Mutter Chilton hat dir aufgetragen, genau nach diesem Wissen nicht zu forschen. ) Sie würde mir sagen, wer mein Vater war. ( Aber die Toten sprechen immer nur von ihrer eigenen Kindheit. ) Vor allem anderem würde sie mir erzählen, was ich war, weshalb ich mit dieser Gabe verflucht war und was ich tun musste, um in Frieden zu leben, nicht bei Hartah, nicht am Hof, nicht in Apfelbrück bei Maggie. Ich erinnerte mich so deutlich an sie: meine Mutter in ihrem lavendelblauen Kleid mit den lavendelblauen Bändern im Haar, und ich selbst sicher und glücklich in ihren Armen. Sie würde mir sagen, wo ich hingehen musste, wie ich leben musste, um wieder sicher und glücklich zu sein.
    Während ich zu dem einen leuchtenden Stern aufblickte, der von meinem Versteck aus sichtbar war, konnte ich nicht mehr länger warten. Ich war noch eine halbe Tagesreise von der Grenze zwischen den Unbeanspruchten Landen und dem Seelenrankenmoor entfernt. Aber sowohl Zeit als auch Entfernung unterlagen im Land der Toten anderen Gesetzmäßigkeiten, und es konnte sein, dass ich mich nicht genau an der Grenze befinden musste.
    Ich zog mein kleines Rasiermesser aus dem Stiefel, stach mir in den Oberschenkel und glitt auf dem Schmerz dahin, um den Pfad der Seelen zu betreten. Das Letzte, was ich vom Land der Lebenden mitbekam, war, wie Wolle sich panisch neben mir regte.
    Dunkelheit …
    Kälte …
    Erstickender Dreck in meinem Mund …
    Würmer in meinen Augen …
    Erde, die meine fleischlosen Arme und Beine umschloss …
    Aber nur einen Augenblick lang, und dann war ich im Land der Toten. Das Dickicht war fort, und ich lag unter offenem Himmel. Ich kämpfte mich auf die Beine und blickte mich um. Einen gedehnten, verwirrten Augenblick lang erkannte ich nichts.
    Alles war im Nebel verborgen.
    Er hing schwer über dem Land, verhüllte alles, was weiter als eine Armeslänge entfernt war. Ich konnte nicht einmal sagen, ob die Landschaft hier dem Land der Lebenden entsprach oder ob sie sich ausgedehnt oder zusammengezogen hatte, wie schon so oft zuvor. Alles, was ich sehen konnte, war hellgrauer Nebel: reglos, still, nur ein Vorhang, der sich mühelos teilen ließ, als ich hindurchging.
    Ich stolperte über einen der Toten, einen Mann, der in winterliche Jagdgewänder gekleidet war, zu jung, um geweckt werden zu können. Als Nächstes stolperte ich in den seichten Waldtümpel. Das Ufer, das ich nicht deutlich erkennen konnte, gab unter meinen Füßen nach, und ich platschte in ein Fuß hohes Wasser, aus dem ich bis zu den Knien durchnässt und schlammig herauswatete. Aber zumindest wusste ich nun, dass die Landschaften zusammenpassten. Wie sollte ich jedoch wissen, in welche Richtung ich gehen musste, um zum Seelenrankenmoor zu kommen, wenn ich nicht weit sehen konnte? Hier gab es niemals Sterne, die mich leiten konnten, niemals Sonne, niemals Mond.
    Aber ich konnte den Gedanken nicht ertragen, ins Land der Lebenden zurückzukehren. Noch nicht, nicht nachdem ich so weit gekommen war. Nicht ohne zumindest versucht zu haben, meine Mutter zu finden.
    Vorsichtig ging ich um den Waldtümpel herum. Als ich ihn etwa zur Hälfte umrundet hatte, wandte ich mich fort vom Tümpel, ungefähr in Richtung Süden, und hielt mich dabei so weit wie möglich geradeaus. Der Nebel wurde etwas weniger dicht. Ich war noch keine hundert Schritte gegangen, und das Wasser aus dem Tümpel schwappte in meinem linken Stiefel, als ich auf einen der Kreise der Toten stieß und mir das Blut in den Adern gefror.
    Die Toten saßen oft in Kreisen von vier bis acht Leuten beisammen, manchmal berührten sie sich, manchmal nicht. Dies war ein größerer Kreis aus vierzehn Toten, und sie hielten sich alle bei den Händen. Ich konnte ihre verschränkten Hände sehen, die an ihren Seiten im Gras lagen, und ihre Beine, die sie untergeschlagen oder vor sich auf dem Boden ausgestreckt hatten. Aber ihre Köpfe waren alle von Nebelschwaden umhüllt, die dichter und dunkler als der restliche Nebel über der Landschaft waren, so dicht, dass er jeden Toten vom Hals aufwärts verdeckte. Und eine weitere, genauso dichte Nebelschwade ruhte im Mittelpunkt des Kreises.
    Als ich damals im Land der Toten herumgepfuscht hatte, indem ich die Armee der Blauen künstlich wach gehalten und die toten Soldaten dann kurzzeitig zurück ins Land der Lebenden gebracht

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