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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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scherst dich doch nur um die dreifache Bezahlung.«
    »Verdammt, das tue ich. Und du auch. Samuel, wenn wir in Tidenbrunn ankommen, wirst du… wirst du bei der Armee bleiben?«
    Eine lange Pause folgte. »Du?«
    »Ich habe zuerst gefragt.«
    Es gab noch eine Pause, eine noch längere. Dann sagte Samuel: »Ich werde desertieren, wenn du es machst. Nachdem wir unseren Lohn bekommen haben.«
    »Abgemacht? Besiegeln wir’s.«
    Ich hörte, wie sie spuckten und einschlugen. Waren das typische Soldaten? Blieb ein Großteil der Armee des Königinnenreichs nur wegen der Aussicht auf eine dreifache Entlohnung unter dem Befehl der Wilden? Es fiel mir nicht schwer, das zu glauben. Also konnte der Junghäuptling nur für kurze Zeit darauf hoffen, das Königinnenreich mit Gewalt zu halten. Weshalb sollte er es denn überhaupt…?
    Ich kannte die Antwort. Er war hier, um seine sechsjährige Braut einzufordern, seinen zukünftigen Zugang zum Königinnenreich. Und um Rache an mir für den Tod seines Vaters zu nehmen.
    Bei Einbruch der Nacht erreichten wir Tidenbrunn, ein armes Fischerdorf irgendwo an der Küste. Ich schlief auf dem Boden einer Hütte, deren entsetzte Besitzer man grob hinausgeworfen hatte. Mein Fußgelenk war an das Bett gekettet, in dem ein Soldat der Wilden schlief. Hier waren weitere Wilde, ganze Kader von ihnen, und die Purpurnen der Prinzessin wurden ausgezahlt. Am nächsten Morgen waren sie weg.
    Der Sänger der Wilden, der ein Krieger geworden war, kam nicht in meine Nähe. Noch nicht. Vielleicht war er sich seiner selbst nicht sicher.
    Ein paar Wochen lang zogen wir nach Südwesten, unsere Reise wurde von dem schwerfälligen Wagen und den vielen Pausen verlangsamt. Am dritten Tag erkannte ich, wohin wir unterwegs waren. Jede Nacht verbrachten wir in einem Dorf oder einer Herberge, und die Bewohner wurden aus ihren Betten und Küchen geworfen. Aber man verletzte oder raubte niemanden aus, soweit ich das beobachten konnte, und die Soldaten der Wilden ließen die Frauen in Frieden. Obwohl er nicht da war, hielt der Junghäuptling die gleiche starke Disziplin bei seinen Truppen aufrecht, die auch sein Vater durchgesetzt hatte. Wenn in den Dörfern Soldaten waren, machten sie sich am nächsten Tag bei Morgendämmerung mit uns auf den Weg. Und daher wurde die Anzahl der Wilden rund um meinen Vorratswagen immer größer, bis es eine kleine Armee war.
    Inzwischen befand sich ein Junge, ein jüngerer Sänger mit roter Farbe im Gesicht und Zweigen, die ihm ins Haar geflochten waren, auf der Ladefläche meines Wagens. Die Soldaten marschierten den ganzen Tag lang, unermüdlich. Der Sänger sang mit ebensolcher Unermüdlichkeit dasselbe Lied, das ich vor drei Jahren gehört hatte, als das Königinnenreich zum ersten Mal einen Blick auf die Armee der Wilden unter Lord Solek hatte werfen können.
    »Ay-la ay-la mechel ah!
    Ay-la ay-la mechel ah!
    Bee-la kor-so tarel ah!
    Ay-la ay-la mechel ah!«
    So warf ich, mit Wilden, die sangen und marschierten, während ich gefesselt und von der Sonne verbrannt auf der Ladefläche eines Eselwagens lag, meinen ersten Blick auf ein purpurnes Banner, das an der Spitze eines schlanken Steinturms flatterte. Und so kehrte ich bei Sonnenuntergang an einem schönen Herbstabend nach Gloria zurück, in die Hauptstadt, die ich gehofft hatte, nie wiederzusehen, in der man mich für einen Verräter und einen Mörder und eine Hexe hielt.
    Nun gab es zwei Gruppen von Leuten, die einen Grund hatten, mich zu töten.

27
    Die Stadt hatte sich in drei Jahren nicht verändert; sie hatte sich seit zweihundert Jahren nicht verändert. Sie füllte die Insel in dem ruhigen Fluss Thymar bis zum Ufer aus, verborgen hinter hohen Steinmauern, die die ganze Insel umgaben. Steinbrücken, deren Bögen hoch genug waren, dass Kähne darunter durchfahren konnten, verbanden die Flussufer mit der Insel. In die Mauern waren an jeder Brücke massive Eisentore eingelassen, die nun alle hochgezogen waren. An weiteren Tore gab es keine Brücken, sondern Anlegestellen. Der einzelne schlanke Turm der Stadt ragte über den Mauern auf.
    Die Soldaten, die auf den Zinnen patrouillierten, trugen Purpur, aber diejenigen, die die Brücken bewachten, waren alles Wilde, gekleidet in ihre Felle und Federn; sie trugen ihre Gewehre auf dem Rücken und ihre Krummdolche in den Gürteln. Wir fuhren über die Brücke, durch die Kakophonie der Stadt, und hinter einem hohen Holztor erreichten wir die Stille des Palastes.
    Ich versuchte, mich

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